mit Uli Irnich & Markus Kuckertz

Shownotes

In Episode #81 des Digital Pacemaker Podcasts sprechen wir mit Prof. Dr. Christian Hürter, dem CIO der Deutz AG, über die Transformation des traditionsreichen Motorenherstellers hin zu einem modernen Tech-Unternehmen. Er erläutert die Rolle der IT als Organisationsarchitekt und die Bedeutung von Business Units für die Strukturierung der Geschäftsbereiche.

Euer Feedback zur Folge und Vorschläge für Themen und Gäst:innen sind sehr willkommen! Vernetzt Euch und diskutiert mit:

© Digital Pacemaker Podcast 2025

Zusammenfassung

In dieser Episode des Digital Pacemaker Podcasts geht es um die Transformation der Deutz AG, einem traditionsreichen Motorenhersteller, hin zu einem modernen Tech-Unternehmen. Unser Gast ist Prof. Dr. Christian Hürter, der seit 2023 als CIO an der Spitze der Digitalisierungsstrategie steht. Er teilt seine Erfahrungen und Einsichten in die Herausforderungen und Chancen, die bei der Umstellung von einer klassischen Industrie- zu einer technologiegetriebenen Organisation auftreten.

Die Diskussion beginnt mit der Rolle der IT im Wandel des Unternehmens. Prof. Dr. Hürter erklärt, dass der CIO nicht nur ein Verwalter von IT-Systemen ist, sondern ein Organisationsarchitekt, der strategische Entscheidungen trifft und auf den Geschäftsbedarf reagiert. Die Transformation der Deutz AG wird durch die Einführung von sogenannten Business Units vorangetrieben, die die unterschiedlichen Geschäftsbereiche klarer strukturiert und dabei die Tradition des Unternehmens mit modernen, nachhaltigen Praktiken verbindet.

Wir gehen auch auf die Wichtigkeit der Datenstrategie ein, die in der neuen Architektur der Deutz AG zentral ist. Prof. Dr. Hürter betont, dass Daten nicht in Silos gefangen sein dürfen, sondern die Grundlage für flexible und verkettete Geschäftsprozesse innerhalb der verschiedenen Business Units darstellen. Er hebt hervor, dass eine effektive Datenstrategie entscheidend für den unternehmerischen Erfolg in einer digitalen Zukunft ist.

Ein weiterer zentraler Punkt der Episode ist die notwendige Kulturveränderung innerhalb des Unternehmens. Prof. Dr. Hürter erläutert, wie wichtig es ist, eine offene Kommunikationskultur zu fördern, bei der IT und Business Hand in Hand arbeiten. Er beschreibt die Herausforderungen, die es mit sich bringt, verschiedene Teilnehmer auf dieser Reise mitzunehmen und ermutigt dazu, eine Lernkultur zu etablieren, in der jeder Mitarbeiter den Raum für Innovation hat.

Die Ratschläge von Prof. Dr. Hürter erstrecken sich auch auf die Fähigkeiten, die ein moderner CIO mitbringen muss. Entscheidend sind neben Technologie- und Datenkompetenzen auch emotionale Intelligenz und die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen. Nur so kann eine CIO-Rolle in Zukunft auch die Herausforderungen, die durch geopolitische Veränderungen und Marktdynamiken entstehen, erfolgreich meistern.

Die Episode rundet sich ab mit praktischen Einblicken in die Strategie-Implementierung und den Umgang mit Herausforderungen, wie der Integration neuer Akquisitionen in eine bestehende IT-Architektur. Prof. Dr. Hürter gibt wertvolle Tipps, wie man eine Balance zwischen Kontrolle und Freiheit für Innovationen schaffen kann, und zeigt auf, dass die Transformation der Deutz AG nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine Frage der menschlichen Interaktionen ist. Diese Episode bietet einen tiefen Einblick in die digitale Transformation eines traditionsreichen Unternehmens und die Rolle des CIO dafür.

Transkript

Prof. Dr. Christian Hürter:[0:00] Ein sehr kluge Mensch hat mal zu mir gesagt, wenn du alles richtig machst als IT-Leiter, dann hast du 50 Prozent der Miete und die anderen 50 Prozent sind, was du daraus machst, was du durch Gespräche letztlich verkaufst sozusagen an Ideen im Dialog.

Markus Kuckertz:[0:27] Herzlich willkommen zum Digital Pacemaker Podcast. Lieber Uli, ich begrüße dich.

Ulrich Irnich:[0:31] Lieber Markus, ich begrüße dich zurück. Wie ist das Wertebefinden?

Markus Kuckertz:[0:34] Mir geht es wunderbar. Ich hoffe, dir auch.

Ulrich Irnich:[0:36] Ja, obwohl es stürmisch ist, geht es mir gut.

Markus Kuckertz:[0:39] Stürmisch ist auch ein gutes Stichwort. Wir reden ja heute über ein IT-Thema und da ist man ja immer entweder mit Frontwind oder manchmal auch mit Rückenwind unterwegs. Und darüber wollen wir heute reden, nämlich wie gestaltet ein CIO den Wandel vom Motorenbauer zum Tech-Unternehmen? Unser heutiger Gast ist Prof. Dr. Christian Hörter, seit 2023 Chief Information Officer der Deutz AG in Köln. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie studiert und an der Grenoble INP in Frankreich. Anschließend an der Bergischen Universität Wuppertal promoviert und war über viele Jahre Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Lieber Christian, herzlich willkommen zum Digital Pacemaker Podcast.

Prof. Dr. Christian Hürter:[1:17] Dankeschön und vielen Dank, dass ich hier sein darf. und passend zu eurer Einleitung. Also ich bin derjenige, der sich dann immer so richtet, dass er Rückenwind hat, oder?

Markus Kuckertz:[1:26] Rückenwind in der Transformation ist sicherlich ein Thema, da werden wir heute noch oft drüber sprechen. Wir haben uns natürlich vorher mit dir beschäftigt und ich würde das mal in folgenden drei Thesen zusammenfassen, über die wir gleich auch sprechen werden. Die Transformation der Deutz AG vom klassischen Dieselmotorhersteller zum klimafreundlichen Produktökosystem zeigt, dass industrielle Traditionen und nachhaltige Innovationen kein Widerspruch sind, sondern sich gegenseitig verstärken können. Dann wollen wir darüber reden, über die Veränderung der Digital-IT-Funktion, die nämlich nur gelingt, wenn Architekturen nicht als technische Systeme, sondern als strategische Gestaltungsräume verstanden werden. Offen, modular und zukunftsfähig. Und zu guter Letzt, die Rolle des CIO verändert sich vom IT-Verwalter zum Organisationsarchitekten. Entscheidend ist nicht mehr nur Technologiekompetenz, sondern die Fähigkeit,

Markus Kuckertz:[2:11] Reifegrade, Strukturen und Kultur gemeinsam zu entwickeln. Lieber Uli, wir sprechen heute darüber, wie ein Traditionsunternehmen den Weg hin zum Tech-Unternehmen gehen kann. Wie bringt man aus deiner Sicht Tradition und Technologie und Transformation zusammen?

Ulrich Irnich:[2:26] Die gehören zusammen. Also das sind nicht zwei unterschiedliche Dinge, weil Tradition heißt ja, das sind meine Wurzeln als Unternehmen, die ich halt logischerweise mit auf meiner Reise mitnehme. Und wo ich halt auch bewusst sage, welche dieser Kernelemente nehme ich weiter mit nach vorne mit. Und Transformation heißt, ich verändere mich halt auch logischerweise. Wenn du mal guckst, wo die Deutz AG, als sie begonnen hat, war und wo sie heute ist, da hat sich ja auch schon viel verändert. Und das ist auch gut so. Und deswegen würde ich das nie nebeneinander sehen, sondern immer zusammen. Ja, das gehört zusammen. Und es ist wichtig halt, dass die Menschen auf dieser Reise mitgenommen werden. Und da brauchst du halt auch nochmal so ein paar Traditionen, die dazugehören. Und das vergessen wir manchmal im digitalen Leben so ein bisschen, dass gerade solche Themen halt elementar wichtig für uns sind.

Ulrich Irnich:[3:18] Und deswegen freue ich mich umso mehr, lieber Christian, dass du heute bei uns bist. Ich frage mal dich so, mitten im stürmischen Zentrum der Deutz AG, du bist ja quasi so mit Impulsgeber in dem Thema, aber sag mal, welche Rolle spielt der CIO denn da eigentlich in diesem Wandel, in dieser Transformation?

Prof. Dr. Christian Hürter:[3:37] Also Impulsgeber ist klar unser Vorstand, der vor drei Jahren die Strategie Dual Plus ausgerufen hat. Ich habe, denke ich, sehr schnell verstanden, dass die wirklich spannend ist und das ist auch der Grund, weshalb ich wirklich mit Begeisterung hier bei Deutz bin jetzt seit zweieinhalb Jahren. Und ich bin auch fest davon überzeugt und spreche auch da offen drüber, dass ich als CIO und das IT-Team als Gestalter von IT und Digitalen ein ganz entscheidender Enabler ist, hin eben auf dem Weg wirklich ein Geschäftspartner zu sein. Das ist eben nicht nur Theorie, sondern Praxis.

Ulrich Irnich:[4:12] Jetzt war ich ja auch mal in der CIO-Rolle, quasi in deinen Fußstapfen. Wie ist denn deine Erfahrung so, gerade was so technische Erfahrungen deiner Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen angeht? Das ist ja manchmal doch, ich meine klar, du hast jetzt natürlich sehr stark Maschinentechnik, aber auch gerade was IT-Technik angeht und Technologie. Auf was für einen Nährboden stößt denn da?

Prof. Dr. Christian Hürter:[4:36] Total unterschiedlich. Das ist auch schön. Deswegen braucht es uns nämlich auch. Wenn die alle entweder überhaupt gar nichts wüssten, dann könnten wir irgendwie das zukaufen. Und wenn die alle Profis wären, bräuchten sie die IT nicht. Ich glaube genau, das ist unsere Aufgabe, diese Heterogenität. Ja, wir sind halt Köln. Vielfalt gehört hier dazu. Also für mich ist das Köln, meine Rolle irgendwie passt sehr gut zusammen. Und für mich kein, also diese Vielfalt oder die unterschiedlichen Verständnisse sind für mich kein Störfaktor, sie sind für mich der Grund, weshalb ich das tue, was ich tue.

Markus Kuckertz:[5:11] Du hattest eben schon kurz die Strategie eures Unternehmens angesprochen.

Markus Kuckertz:[5:15] Auf welchem Weg der Transformation befindet sich die Deutz AG momentan? Magst du uns mal so ein bisschen auf die Reise mitnehmen, von wo nach wo das geht?

Prof. Dr. Christian Hürter:[5:21] Wir sind gerade in einer ganz spannenden Phase, sozusagen direkt. Letzte Woche war Leadership Conference, wo auch wesentliche Themen nochmal erörtert wurden. Wir entwickeln derzeit sogenannte Business Units. Den Begriff gab es schon ein bisschen früher, aber jetzt führt das wirklich zu einer ganz klaren unternehmerischen Ausgestaltung der Geschäftsaktivitäten. Und wir Deutz als Unternehmen, also wir sind der älteste Motorenhersteller der Welt, im abgeschlossenen Geschäftsjahr haben wir knapp um die zwei Milliarden Euro Umsatz gemacht. Unser Ziel ist es, bis 2030 vier Milliarden Euro Umsatz zu machen, also ein starker Wachstumskurs und durch die Ausrichtung auf Business Units werden wir, also ich sage das nicht irgendwie wir könnten, sondern wir werden, werden wir zum einen fokussierter, unternehmerischer in dem jeweiligen Geschäftsmodell sein und zugleich durch die Ausrichtung auf mehrere Business Units und zugleich breiter. Breiter und fokussierter. Die klassische Säule, das was sozusagen schon seit 161 Jahren existiert, ist unsere Enginesparte, BU Engines, das heißt unsere in der Regel Dieselverbrennungsmotoren.

Prof. Dr. Christian Hürter:[6:32] Dann die zweite Geschäftssäule ist die BU-Service für Teile und Reparaturen und derlei. Dann haben wir die dritte Business Unit, die heißt New Tech, also New Technology für innovative, regenerative Alternativen zum Dieselverbrennungsmotor. Die vierte Business Unit heißt Energy. Da fängt jetzt an, so richtig auch ganz heiße Themen, die jetzt auch sehr öffentlichkeitswirksam sind, mitzunehmen. Also Energy steht für Energieversorgung, Energieergänzung durch sogenannte Gensets, also mobile Stromgeneratoren, die auch absichern, um bestimmte Energiegrids zu ermöglichen und zu unterstützen. Und die fünfte BU heißt Defense. Da muss ich eigentlich nicht viel sagen, das sind Anwendungen in der Verteidigungsbranche, zum Beispiel bei Drohnen, ganz aktuell, wenn man in der Presse, wenn man die Presse liest, sieht man auch, dass sich da Deutz durchaus aktiv gibt.

Ulrich Irnich:[7:25] Das ist ja so eine Unternehmensausrichtung, gerade wenn du so neue Business-Units auch aufbaust. Mit Sicherheit auch mit großen Erwartungen gegenüber der IT. So nach dem Motto, wie kann die IT helfen, das genau schnell aufzubauen und diesen Hunger, den die neuen Business-Units logischerweise verspüren, dann auch mit umzusetzen. Wie ist denn dein Team darauf vorbereitet?

Prof. Dr. Christian Hürter:[7:50] Wir haben uns schon… Schon sehr früh darauf vorbereitet. Also ich muss etwas früher beginnen. Also jetzt die Ausrichtung auf Business Units kommen nicht ganz unerwartet. Ich habe heute Town Hall gehabt mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Mein Feedback bisher, das ist immer ein bisschen schwierig, wenn man natürlich dann selber der Chef ist oder sowas, dann ehrliches Feedback immer zu haben. Aber die Feedbacks, die ich bisher bekommen habe, waren sehr positiv, dass da Aufbruchstimmung ist. Also muss was vorher passiert sein. Also ich habe ein fantastisches Team übernommen, das schon grundsätzlich die Komplexität und Heterogenität und auch das Wechselspiel der Entwicklung von Deutz die letzten Jahre mitgemacht hat. Und was wir sehr früh gemacht haben, ich bin im Juli 2023 als CEO angetreten, also noch in 2023, haben wir bestimmte Entscheidungen getroffen, zum Beispiel IT und M&A als eine Säule mit oder als ein Team in der IT mit aufzubauen. Und es war uns von Anfang an klar, welche Bedeutung die Dual-Plus-Strategie

Prof. Dr. Christian Hürter:[8:48] von Deutz haben wird und deswegen haben wir uns da sehr früh auf den Weg gemacht.

Markus Kuckertz:[8:54] Du hast gerade schon so ein paar Herausforderungen angesprochen. Wann war denn aus eurer Sicht aus der IT, ja klar, dass Deutz sich da komplett mehr aufstellen wird und was waren denn da eure größten Hürden und Herausforderungen, die ihr erstmal so gesehen habt, kommend aus der IT, die ihr damals ja nun mal wart?

Prof. Dr. Christian Hürter:[9:10] Also ich habe natürlich die Herausforderung schon im Bewerbungsprozess verstanden. Also ich bin für diese Aufgabe auch gesucht worden und habe mich auch einigermaßen qualifiziert gehalten dafür und denke, das hat einigermaßen gepasst. Also ich wusste, worauf ich mich einstelle. Die wussten, warum sie mich geholt haben. Wann mir aber wirklich der Groschen gefallen ist, was hier zu tun ist, das kann ich relativ genau, auf den Tag genau noch sagen und kann auch die Situation beschreiben, als mich die damalige Strategieleiterin Sina Gauss, falls ihr das jetzt gerade hört, als sie mir sozusagen im Rahmen meiner Einarbeitung mal gesagt hat, komm, ich erzähle dir mal in der Stunde kurz, was wir strategisch vorhaben. Und dann war das so wie so ein Check während des Gesprächs. Bing, bing, bing, bing. Okay, ich habe wirklich verstanden, was Sache ist. Sie hat es fantastisch erklärt, aber vor allem, es ist ein fantastisches Konzept. Und dann habe ich eben, ich hatte Papier und Bleistift dabei und dann habe ich eben begonnen, zusammen mit meinem Team und den verschiedenen Geschäftseinheiten dann fieberhaft daran zu arbeiten, dass wir diese Vision unterstützen.

Markus Kuckertz:[10:14] Wenn wir aus der IT-Sicht mal die Perspektive der Architektur einnehmen, welche Prinzipien oder Leitgedanken, wie erleiden euch denn bei Deutz in der IT-Transformation? Was habt ihr da eingeführt?

Prof. Dr. Christian Hürter:[10:24] Ja, das ist eine gute Frage und auch eine sehr komplexe Frage. Es sind natürlich verschiedenste Dinge auf unterschiedlichen Ebenen. Ich sage mal, wir haben so ein paar generelle Themen. Business ist für uns wahnsinnig wichtig. Das ist auch so fast schon so ein Gemeinplatz jetzt für CIOs. Aber dieser Business-First-Mindset ist tatsächlich sehr, sehr wichtig. In dieser Leadership-Konference, die letzte Woche stattfand, wurde das sehr, sehr gut durch zwei Claims ausgedrückt. Zum einen, das hat mich ganz besonders gefreut, we can do it, wobei we can do und it nochmal eine ganz besondere Bedeutung hat, also dass wir gemeinsam entscheiden, also auch Matrix-Aufgaben in weniger klaren Ordnungsstrukturen, can, dass wir Macher sind, dass wir aber auch, dass wir die Kompetenz haben. Das Du ist dann eher, dass wir Macher sind, dass wir Entrepreneure sind. Und in IT, da steckt eigentlich auch entrepreneurial spirit und sowas drin. Aber ich freue mich natürlich ganz besonders, dass da IT drin steckt. Habt ihr auch letzte Woche, dann hab ich gemeldet und hab gesagt, ich freue mich, Chef. Lieber Sebastian Schulte, lieber CEO, ich freue mich außerordentlich, dass euch IT so wichtig ist, dass ihr es zum Bestandteil des Klärmens gemacht habt. Aber also nochmal Spaß beiseite. Generell ist diese Ausrichtung für uns sehr wichtig. Und das bedeutet uns auch viel, dass jede einzelne Person, auch jetzt zum Beispiel in der IT oder egal wo.

Prof. Dr. Christian Hürter:[11:38] Auch versteht, dass es um Deutz geht, um unsere Produkte und um unsere Zukunft, die wir damit schaffen und nicht, sagen wir mal, für das Überleben jetzt eine IT-Organisation. Dann haben wir, das ist mal das eine, dann haben wir eine strategische Komponente bei der Architektur. Da arbeiten wir so klassisch, ich habe es so gelernt, wir haben Zielbilder und arbeiten dann sozusagen von der Zukunft zurück. Und da vielleicht auch eine ganz pragmatische Erkenntnis, wenn du so ein Zielbild hast, zum Beispiel ein ERP-Target-Picture und es kommt zu einer gewissen.

Prof. Dr. Christian Hürter:[12:08] Architekturentscheidungen, die sind ja meist operativ geprägt und da ist meistens auch ein Business Case dahinter oder zumindest Kostenanstieg verhindern und du hast das Zielbild im Kopf, dann kannst du eine pragmatische Entscheidung treffen und weißt trotzdem, dass sie einzahlt auf das Zielbild. Und das ist der Unterschied für mich zwischen einem reaktiven und einem proaktiven Managen oder Führen. Im ersten Fall kriegst du auch das kleine Problem gelöst, hast aber dann einen riesigen Flickenteppich und im zweiten Fall löst du die operativen Probleme, bringst also sozusagen EBIT-mäßig das Unternehmen voran und hast trotzdem eine saubere Architektur und bist damit für die Zukunft richtig aufgestellt.

Prof. Dr. Christian Hürter:[12:45] Einzig einschränkend muss ich sagen, wenn du so arbeitest, musst du Geduld haben, weil die richtigen, ich merke das jetzt auch schon, die richtigen, also die Entscheidungen, die du dir wünschst, die passieren nicht immer sofort. Wenn dann bestimmte Geschäftsinteressen dagegen sprechen, ich habe jetzt eine Entscheidung zum Beispiel im Kopf, wo die Capability im Business einfach nicht da war, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, dann muss man sagen, okay, es passt jetzt gerade nicht, kein Problem, wir machen das jetzt auf die eine Art und Weise fertig und suchen dann nach der nächsten Gelegenheit. Dann gibt es dritte Ebene, also generelle Ebene, Strategie-Ebene, dritte Ebene, Execution. Das ist mir mindestens genauso wichtig wie die strategische Ebene. Und da geht es um Geschwindigkeit. Auch das ist ein Architekturprinzip. Man kann lange rum überlegen, aber du musst dann auch in der Lage sein, relativ schnell, das hat ganz, ganz viele Vorteile, relativ schnell etwas zu materialisieren. Weil mit der Materialisierung kriegst du auch wieder Zuversicht, dass du auch den nächsten Schritt schaffen kannst. Deswegen sind schnelle, kurze Etappen extrem wichtig.

Prof. Dr. Christian Hürter:[13:43] Lieber dreimal um Entschuldigung bitten, als einmal um Erlaubnis zu fragen, ist auch so ein Gestaltungsprinzip für mich. Und dann gibt es natürlich noch, also man könnte es jetzt weiter runterdeklinieren, das ist für das IT-Management sozusagen auf der Sachebene. Ich will mal nur eine Sache nennen. Wir versuchen maximal zu standardisieren und gehen dort individuell vor, also differenzieren dort, wo es wirklich einen geschäftlichen Unterschied macht. Also so viel Standard wie möglich, so wenig Differenzierung, Eigenentwicklung usw. Wie nötig. Das sind so ganz High-Level-Gestaltungsprinzipien, nach denen wir leben. Und natürlich, vielleicht last but not least, auch das Zwischenmenschliche. Auch Werte sind wichtig. Dafür haben wir die sogenannten 5T. Truth, Team, Trust, Transparency, Tenacity, also Beharrlichkeit, das sind so fünf Gestaltungsprinzipien. In diesem Framework sind wir unterwegs.

Ulrich Irnich:[14:43] Das ist sehr einleuchtend und klingt auch wie ein wirklich gutes Operating-Modell und ihr könnt es nicht sehen, aber wir sehen den Christian ja vor uns, der glänzt und strahlt und daran merkt man, das ist tatsächlich Realität. Jetzt hast du am Anfang ja so ein bisschen auch über Merchant Acquisitions gesprochen und tendenziell kommen ja solche Zukaufgeschäfte meistens schon mit ihrer eigenen IT

Prof. Dr. Christian Hürter:[15:04] In die Ecke rum.

Ulrich Irnich:[15:06] Wie geht ihr denn damit um? Also, weil die meinen, bringen ja erstmal alles wieder durcheinander. Also Tendl, wenn ihr so ein Geschäft kauft, das hat ja eine IT, da läuft ja irgendwas. Und wenn du jetzt mal so Richtung Zukunftsbild guckst und sagst, okay, ihr habt eine Architektur und habt auch eine gewisse Standardisierung, dann musst du ja anfangen, in die Richtung auch hinzuarbeiten. Ich kenne Unternehmen, die hatten da einen super Masterplan und haben dann gesagt, okay, wird sofort abgelöst, wird direkt auf den einen Standard. Das kann eine Möglichkeit sein. Oder es gibt halt so einen schrittweise Ansatz, um das zu integrieren. Das ist ja auch quasi eine Frage, wahrscheinlich die ihr euch dann schon in der Due Diligence, wenn ihr solche Unternehmen anguckt, stellt. Aber das würde mich mal interessieren, wie ihr dann so nach vorne damit umgeht.

Prof. Dr. Christian Hürter:[15:52] Ja, also wir entwickeln ein Framework sozusagen, um standardisiert das in eine Architektur zu überführen, um neue Akquisitionen zu überführen, das entwickeln wir noch. Aber ich kann schon mal die Infrastruktur entwerfen. Also zunächst mal ist die Infrastruktur, das Individualslevel auf Infrastruktursicht gefragt. Ja. Drei Levels, also von null bis drei. Null ist kein Level. Aber es ist auch wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, auch ein Level null, also eine Nicht-Integration zu haben, weil das ist natürlich im Konzernverbund grundsätzlich möglich. Ja, klar. Das ist eigentlich auch ein toller Dialog mit unserem Vorstand, der ja in erster Linie diese Akquisition macht oder auch mit unserem M&A-Team oder den jeweiligen Spezialisten in den Regions und in den verschiedenen BUs, Business Units, darüber nachzudenken, was ist die richtige Integration. Also das Thema könnte nicht aktueller sein. Und heute zum Beispiel habe ich dazu eine ganz heiße Diskussion geführt. Ich werde nicht darüber reden. Aber das ist natürlich eine ganz entscheidende Frage. Und du kaufst ja, das ist immer ein Trade-off, du kaufst dir bestimmte Fähigkeiten ein und verzichtest dann auf bestimmte, in der Regel Freiheiten. Das ist immer dieses Konzern-Framework, das du dann hast.

Prof. Dr. Christian Hürter:[17:01] Natürlich haben wir das Interesse, möglichst viele Akquisitionen auf eine Stufe 2, heißt es, bei uns zu bringen, sodass wir möglichst reibungslos konsolidieren können beispielsweise, aber auch reibungslos zusammenarbeiten können auf Application, Data Level und so weiter. Aber das hängt wirklich von einem speziellen Business Case und auch von dem Freiheitsgrad ab. Also das sind doch durchaus unternehmerische Themen, die dann eine Rolle spielen. Und dann gibt es natürlich darüber hinaus noch das Ganze auf Application-Ebene, Corporate Application bis hin dann zu natürlich lokalen Applications. Also ich habe nur einen Anspruch auf der Corporate Application-Ebene, ERPs, Field Service Management, CRM und da strukturieren wir derzeit, haben für das ERP ein entsprechendes Zielbild und nutzen dann die Gelegenheiten.

Prof. Dr. Christian Hürter:[17:53] Um Standorte in das Zielbild zu bringen und haben da auch Geduld. Die entsprechende Strategie heißt ERP Target Picture 2035. Weil wenn du jetzt eine funktionierende Beteiligungsgesellschaft, heißt das, bei uns hast, wo das ERP einigermaßen funktioniert und es geht ja immer um Prioritäten, dann kann das auch noch ein paar Jahre funktionieren. Wir nutzen dann eben die Gelegenheit, es ergibt sich eher zu viel als zu wenig, dass du dann auch das Unternehmen oder diese Beteiligungsgesellschaft auf den nächsten Reifegrad bringst. Das ist so ein bisschen unser Framework. Also wir unterscheiden eben die verschiedenen sozusagen Integrationslevel zunächst mal auf der Achse und in der Intensität Infrastruktur. So auch wieder Architektur von unten nach oben sozusagen Infra, Applications, Data und so weiter.

Markus Kuckertz:[18:41] Uli, habe ich aber noch eine Frage. Du hast jetzt natürlich wahrscheinlich bei deiner Frage sehr stark die Brille, ich will nicht sagen die rosa-rote Brille, aber die Brille der Telco-Industrie aufgehabt, wo man ja als CIO in die Verlegenheit kommt, dass man seinen Laden architekturell, sagen wir mal anschaulich, so aufgebaut hat, dass man alle Kreuzungen mit Ampeln gelöst hat und dann kommt dann plötzlich irgendein großer anderer Laden, der integriert werden soll, rein und die sagen immer, nö, bei uns ist bei SoWay alles Linksverkehr und wir machen alles mit Kreisverkehren. bring das mal zusammen. Und wenn Architektur, wie wir es eben von Christian gelernt haben, ja auch eine strategische Steuerungsgröße oder ein Hebel ist, ja, wie siehst du das dann? Erklär doch mal, was du so als Vor- und Nachteil erlebt hast in deiner Rolle als CIO.

Ulrich Irnich:[19:23] Ja, also du hast natürlich auf der ersten Sicht, hast du natürlich Technologie. Also ich denke dann so an die großen Kreuzungen. Da kommt jetzt ein Unternehmen ins Unternehmen oder in den Konzern. Der Konzern hat Microsoft und der Zukunft hat Google. Also das sind ja schon mal zwei ganz unterschiedliche Dinge. Oder der eine hat SAP und der andere hat Oracle. Also das sind ja dann Dinge, wo du sagst, und deswegen kriegst du ja 100% d’accord, zu sagen, okay, wie integriere ich denn einen in Unternehmen? Will ich es überhaupt integrieren oder ist einfach daneben laufen? Und will es halt als Geschäft möglicherweise weiter wachsen lassen? Das ist halt komplementär zum Gesamtkonzern. Und wenn die Frage geklärt ist, dann kannst du über andere Zielbilder nachdenken. Und ich bin ein großer Freund davon, wenn so Zielbilder gemalt werden, dass das immer dann paritätisch mit den neu zugekauften Unternehmen dann passiert. Weil es ist ja nicht nur eine Technologie, die da zusammengeführt werden muss, sondern es muss ja auch Menschen und Kulturen zusammenführen.

Ulrich Irnich:[20:26] Das ist eher schon die etwas kompliziertere Frage, weil gerade jeder Zukunft bringt eine eigene Kultur mit. Und wie machst du eigentlich das Beste aus beiden Welten? Und wie lehrst du halt quasi, dass das neue Team, was sich da formiert, quasi mit einem kulturellen und einem Mindset nach vorne geht? Und Kultur ändert sich halt nie über Nacht. Da kannst du halt keinen Code schreiben und dann ist die Kultur geändert. Sondern es ist halt ein Lernprozess, der da stattfindet. Aber das waren zumindest meine. Und deswegen habe ich ja eben so ein bisschen auch von meiner Vergangenheit bei einem großen amerikanischen Konzern gesprochen. Und die hatten halt so ein 100-Tage-Playbook. Da war relativ klar, dass es nicht verhandelbar war. Das wird so gemacht. Und wenn du das von vornherein spielst, das ist so meine Erfahrung, dann ist das auch für die Gegenseite irgendwie klar. Oder für das Übernehmen der Unternehmen. Wenn du aber sagst, wir machen Beste aus beiden Welten und am Ende des Tages wirst du aber doch dein Ding durchführen, dann baust du auf Sand. Also das ist, das kommt wieder zurück. Das ist nicht ehrlich gespielt. Und deswegen bin ich immer für Offenheit im Visier und Klarheit in den Dingen, die verhandelbar sind und die Dinge, die nicht verhandelbar sind. Und dann, glaube ich, kann nicht jeder mit arrangieren.

Prof. Dr. Christian Hürter:[21:47] Es gibt auch den Spruch, was du in den ersten zwei Jahren nicht integrierst, wird nicht integriert. Deswegen, also ich bin bei dir, wenn du ein bestimmtes Level, Integrationslevel anstreben willst, musst du es daran vollkommen klar vereinbaren.

Ulrich Irnich:[21:57] Genau, weil nach zwei Jahren Unternehmensintegration denkt keiner mehr daran, dass da noch ein Siebelstack irgendwo in der Ecke rumsteht. Und dann kannst du auch nach zehn Jahren noch reingucken, der steht dann immer noch da. Und den packt dann auch keiner mehr an. Und deswegen finde ich immer, diese Leitplanten müssen eigentlich im Vorhinein schon relativ klar gemacht werden. und die sind im Rahmen der Integration dann auch so fest zu tun, dass das passiert, weil wenn du es nicht machst, dann passiert es nicht.

Markus Kuckertz:[22:22] Lassen wir uns nochmal auf die Rolle der IT in der Deutz AG schauen. Was sind denn deine Beobachtungen, seitdem ihr die Transformation gestartet, hinsehlich die Zusammenarbeit zwischen IT und Business? Hat sich da was verändert in der Zusammenarbeit?

Prof. Dr. Christian Hürter:[22:34] Ja, würde ich schon sagen. Wäre es interessant, vielleicht hört ja jemand den Podcast aus dem Business, wäre es interessant, der kann dann mit mir nochmal diskutieren, das mal zu spiegeln. Also ich würde sagen, ja, dieser Wechsel, ich sage mal ein bisschen überspitzt vom Befehlsempfänger zum Co-Creator oder Mitgestalter vom Business, ja, wir sind noch nicht ganz recht sozusagen auf der Skala angelangt, aber wir bewegen uns deutlich in diese rechte Richtung, also Entschuldigung, auf der Skala, um das ganz deutlich zu sagen, es war kein politisches Statement. Und das geht nur, und das merkt man auch schon, wie ich die Antwort angefangen habe, wäre jetzt interessant zu hören, was das Business sagt, was ich intuitiv gesagt habe. Das geht nur, wenn ich mich nicht als Kontrolletti sehe, sondern wenn ich mich eher, also auch jetzt als Architekt, eher als Wirt verstehe, der einen runden Tisch hat und einlädt, um wichtige Dinge gemeinsam zu besprechen und dann auch gemeinsam festzulegen, dann wirst du auch ein Gespräch. Ein geschätzter Gesprächspartner und dann bist du auch ein geschätzter Businesspartner.

Markus Kuckertz:[23:43] Ein großes Thema, was sich sicherlich aus der Zusammenarbeit ergibt, ist sicherlich die Frage nach den Daten, was sicherlich ja das große Gold ist, mit dem man sich dann ja auch beschäftigen muss aus einer Business-Perspektive. Welche Rolle spielen denn Daten in eurer Architekturvision? Wie habt ihr das Thema gemeistert?

Prof. Dr. Christian Hürter:[24:00] Ja, das kann ich relativ pragmatisch sagen. Also gemeistert, wir sind dabei, es zu meistern. Ich glaube, es ist sehr schwierig für ein Manufacturing-Unternehmen zu sagen, wir haben das Thema Daten im Griff. Also würde mich interessieren, ob es ein Unternehmen gibt. Da würde ich da gerne mal zu Besuch kommen. Wir arbeiten daran und ich denke, wir machen auch große Fortschritte. Die Bedeutung von Daten lässt sich super klar in unserer Business-Unit-Ausrichtung sagen. Denn Daten verbinden Business-Units. Auch wenn deren Prozesse oder Applikationen vollkommen getrennt sind, aber Daten sind eben das, was ausgetauscht werden muss. Und ein Fokus auf Daten bedeutet letztlich Freiheit für die Prozesse, Freiheit für die Business Unit und fürs Business Development.

Prof. Dr. Christian Hürter:[24:47] Das heißt, wenn ich keine Datenstrategie habe, kein klares Zielbild, dann würde ich sagen, ist das aus meiner Sicht in so einem Business-Kontext, in dem wir uns befinden, fahrlässig. Deswegen, also ganz klar, Bedeutung der Daten kann man gar nicht hoch genug hängen und damit meine ich nicht, dieses Daten ist das neue Öl von vor 15 Jahren oder diese Slogans, diese theoretischen Slogans, sondern wenn du Daten nicht aus den Applikationen befreist, dann förderst du Silo-Denke. Dann kannst du nicht in verschiedenen Geschäftseinheiten denken, dann kannst du die Freiheit, die du unternehmerisch als Geschäftsmann oder Frau, als Geschäftsperson in den Business Units baust, die kannst du nicht da hinbekommen. Das ist also eine ganz praktische Feststellung eigentlich. Daten sind die Basis für unternehmerische Vielfalt in einem Konzern.

Prof. Dr. Christian Hürter:[25:38] Und wenn du jetzt mal nach vorne blickst.

Markus Kuckertz:[25:40] In das, was euch ja jetzt die nächsten Jahre erwarten wird, was sind da die größten Herausforderungen, die du siehst für die IT, die ihr noch angehen müsst?

Prof. Dr. Christian Hürter:[25:47] Ja, ich bleibe mal in dieser Herausforderung, der wir jetzt wirklich ganz aktuell als Konzern sind. Die Separierung in Business Units, in eigenständige wirtschaftliche Einheiten ist das eine. Und zugleich haben wir gerade in den aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass wir auch wirtschaftlich sind oder allein und so weiter. Also wir müssen Synergieeffekte aus dem Konzernverbund sicherstellen und zugleich Freiheit gewährleisten. Ich denke, das ist eine, jetzt vielleicht nicht sehr technisch ausgedrückt, eher eine allgemeine Führungsherausforderung. Wir nennen das, oder mein Chef hat das, Oliver Neuer hat das sehr, sehr gut auf den Punkt gebracht, letzte Woche bei der Führungskonferenz, Freedom within the Framework. Das ist eigentlich so das Spannungsfeld und auch die, denke ich, eine der größten Herausforderungen für uns.

Markus Kuckertz:[28:03] Neben der Geschäftsstrategie und dem Verhältnis zu den Business Units gibt es sicherlich natürlich auch noch einen sehr komplexen Laden zu steuern. Da geht es ja nicht nur um Architektur und um das IT-Stack, sondern auch um

Markus Kuckertz:[28:15] die Menschen, die da unterwegs sind. Und da würde mich interessieren, wie schaffst du es denn in deiner Rolle als CIO, Strukturen aufzubauen, die einerseits Steuerung ermöglichen, aber gleichzeitig Raum für Innovation und Eigenverantwortung lassen. Weil das sind ja am Ende, wenn man sagt, das Ding muss laufen, auch zuverlässig laufen, aber wir wollen natürlich auch neue Sachen zulassen und Innovation ermöglichen, im Zweifel zwei ganz verschiedene Dinge.

Prof. Dr. Christian Hürter:[28:39] Ich überlege gerade, ob ich jetzt spezielle CIO-Strukturen habe. Also ich glaube, es sind keine speziellen CIO-Strukturen, sondern es sind eigentlich eher einfache Führungsprinzipien, die ich da beachte, die vermutlich auch andere Nicht-ITler beachten. Aber für mich gelten sie auf jeden Fall sehr verbindlich. Zum Beispiel, dass wir Ziele, uns Ziele setzen und die gemeinsam vereinbaren. Dass wir auch den entsprechenden Mut für Zielbilder einbringen. Das ist immer eine komische Situation, ein Zielbild zu entwickeln, weil man sich ja immer irrt. Man weiß nur noch nicht, in welchem Punkt. Gleichzeitig gilt es, eine klare Erwartungshaltung zu wecken. Das ist ja so ein ganz entscheidendes Führungsprinzip. Dann loslassen können, das ist auch ein zweites wichtiges Thema. Also ich verstehe unsere Organisation, da bin ich jetzt wieder ITler. Als ein Team von Fachexperten. Ich will selber auch Fachexperte sein, das ist mein Anspruch.

Prof. Dr. Christian Hürter:[29:31] Und das bedeutet zwangsläufig, und da bin ich auch stolz drauf, dass meine Kolleginnen und Kollegen besser sind als ich in ihren Disziplinen. Und deswegen muss ich loslassen können, damit überhaupt die guten Ideen erstmal nach vorne kommen. Drittes Thema, Performancekultur. Da haben wir auch ganz tolle Erfahrungen gesammelt. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen fies, aber für mich ist ein Fokus auf High Performer.

Prof. Dr. Christian Hürter:[29:57] Genauso wichtig, sage ich jetzt mal, den Fokus auf Low-Performer. Es zeigt sich sogar, dass wenn ich in der Lage bin, nah geduckt dran bin, Low-Performance zu erkennen, dann kann ich mich auch mit den Ursachen beschäftigen, dann da vielleicht eine gute Lösung finden. Aber die Signalwirkung fürs Team, wenn du dann Herausforderungen bewältigst, sind viel größer als die Signalwirkung, wenn jemand, der ohnehin schon gut ist, dann nochmal besser zur Geltung kommt. Also das Lösen dieser organisationalen Probleme durch Low Performance, mit welchen Ursachen auch immer, das muss ja nicht die Schuld von jemandem sein, halte ich für so einen ganz entscheidenden Punkt, um Raum für Eigenverantwortung, Innovation und so weiter zu stiften. Kommunikation, ich glaube, das ist ein Thema auch als IT-Verantwortung, das kann uns gar nicht groß genug hängen. Immer wieder wiederholen, das ist nicht meine allergrößte Stärke und auch wenn wir von Strategie oder Strategie-Umsetzung sprechen, das heißt ja, es gibt ja diesen Spruch, 80% davon ist Kommunikation, die anderen 20% weiß ich nicht wahlweise Transpiration oder Inspiration, aber 80% Kommunikation, das ist einfach so. Und in dem Aussprechen von Ideen zum Beispiel oder auch Wahrheiten, erlebst du dich auch manchmal selbst und deswegen ist es extrem wichtig zu kommunizieren und ja vielleicht Spaß haben auch das ist so ein.

Prof. Dr. Christian Hürter:[31:25] Das ist kein spezielles Strukturprinzip aber ich denke nur wenn ich selber begeistert bin kann ich auch andere begeistern also der Glanz auf meiner Stirn sozusagen ist wahlweise Schweiß oder auch Freude den du vorher erwähnt hast Uli,

Prof. Dr. Christian Hürter:[31:42] Uli.

Markus Kuckertz:[31:43] Das Thema High-Performance, Low-Performance hatten wir ja auch schon ein paar Mal als Thema hier im Podcast. Wie ist da deine Sicht? Deine Philosophie?

Ulrich Irnich:[31:51] Also grundsätzlich ist es so, High-Performance braucht logischerweise, wie im Hochleistungssport, immer die Förderung, dass ich auch weiterhin über höhere Ziele springen kann. Das ist das eine Thema. Und ich brauche halt auch meine Herausforderung, das Entscheidende. Und das halt zu fördern. Aber auf der anderen Seite muss ich auch im Team erkennen, wenn so eine Low-Performance da ist, kann sich das halt auf das gesamte Team auswirken. Also am Anfang ist das ja meist so, dass das Team im Prinzip so ein Stück weit mitkompensiert. Und wenn sich das aber permanent hält, schafft das Frustration in dem Hochleistungsteam und führt halt dazu, dass die dann tatsächlich auch darüber nachdenken zu gehen. Und das ist halt ein Stück weit Gift. So Low-Performance ist jetzt nicht irgendwie, ich sag mal, ein Thema, wo du sagst, okay, da gibt es nur eine Zuordnung zu, das ist jemand, der halt schlecht arbeitet, das ist es nicht. Also da können ja verschiedene Dinge, dass derjenige vielleicht in der falschen Position, ja, und ist mit der Situation einfach befordert, auch nicht glücklich, muss man ansprechen. Ja, es kann aber auch sein, dass, ich sage mal, familiäre Zusammenhänge oder sonstige Themen dazu führen, dass das genauso kommt.

Prof. Dr. Christian Hürter:[33:03] Und ich muss halt.

Ulrich Irnich:[33:04] Da das Gespräch führen. Aber ich kann das nicht aussitzen. Also in dem Moment, wo ich das aussitze, strahlt das auf das Hochleistungsteam oder auf das Team in Summe negativ aus.

Ulrich Irnich:[33:15] Und das sorgt halt dann noch für ein größeres Problem. Ja, und das ist im Gegenteil. Je früher ich das ansprechen kann,

Markus Kuckertz:[33:21] Desto besser ist es. Christian, der digitale Reifegrad eines Unternehmens wie der Doyser G ist sicherlich auch noch ganz spannend. Wenn man dann einmal geheiratet als CIO, kommt man ja wahrscheinlich mal so rein in die eigene Rolle und einem wird das so übergeben, das ganze Thema. Wie ist da so deine Beobachtung gewesen in eurem Unternehmen? Wie hast du dich da erstmal sofort bewegt? Wie hast du das für dich erforscht und welche Schlussfolgerungen hast du dann aus dem, was du dort erkannt hast, gezogen?

Prof. Dr. Christian Hürter:[33:46] Ja, also wir hatten am Anfang… Da hatte ich mir so einen Actionplan überlegt und da haben wir natürlich einige Gespräche geführt und da hatte ich dann erste Eindrücke, Hypothesen sozusagen über den Zustand. Aber wir haben dann sehr schnell angefangen im Januar 24 oder ab Januar 24 haben wir begonnen, den Reifegrad auch zu messen. Also jetzt ganz schlichte Fichte sozusagen als Antwort auf deine Frage. Wir messen einmal im Jahr den Reifegrad mit einem Standardinstrument, so einem IT-Score und da machen alle IT-Führungskräfte mit, also eine Selbstbewertung. Aber das zeigt uns ganz gut zum einen, wo wir stehen und zum anderen hat es uns jetzt von Januar 24 auf Januar 25 beispielsweise auch schon gezeigt, was aus uns geworden ist.

Markus Kuckertz:[34:28] Gibt es da auch Überraschungen für dich an so einer Stelle, wenn die Kollegen das dann selber feststellen können? Ich kann mich erinnern an einem Unternehmen, in dem wir sowas mal gemacht haben, dass der Faktor derer, die mit Digitalisierung und Technik selber nichts anfangen können, aber sehr große Verantwortung für das Unternehmen in dem Bereich übernommen hatten, nicht so ganz übereinstimmte. Wie ist denn das bei euch, wenn du da ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern kannst?

Prof. Dr. Christian Hürter:[34:51] Ja, also besondere Überraschungen gab es ehrlich gesagt jetzt nicht, weil wir natürlich in einem Strategieprozess sind und unsere Wahrnehmung schon regelmäßig austauschen. Du hast natürlich immer bestimmte Handlungsschwerpunkte, also Dinge, wo du vergleichsweise schon sehr reif bist und Dinge, wo du noch relativ unreif bist, das haben wir. Da würde ich jetzt aber in IT-Operating-Model-Sprache abdriften und wenn ihr da eine gezielte Frage stellen wollt, können wir es gerne machen, welche Komponente sind dann, denen wir arbeiten müssen. Was zum Beispiel immer ein Thema ist, zum Beispiel das Kommunizieren von Strategien. Das war zwar keine Überraschung, aber das kann man wohl nicht genug, das ist auch Feedback an mich wieder, kann man nicht genug betonen, auch nicht breit genug betonen, wie wichtig es ist, die Dinge zu wiederholen. Deswegen ist es auch wichtig, dass das Zielbild einfach ist. Sonst kommst du gar nicht rum, die Dinge ständig zu wiederholen bei jeder Gelegenheit. Vielleicht noch ein zweites Punkt.

Prof. Dr. Christian Hürter:[35:50] Learning ist doch tatsächlich nochmal ganz kurz inhaltlich aus dem Operating Model. Ein Aspekt, den wir sehr früh eingeführt haben, ist das Business Relationship-Management-Funktion innerhalb der IT, um Vertrieb zu organisieren. Oder anders ausgedrückt, kommst du von einer rein funktionalen IT-Organisation dann zu einer Matrix-Organisation, dass diese Business Relationship-Management-Funktion dann für Prozesse zuständig sind. und also auch aus dem Nähkästchen geplaudert. Ein Feedback, das ich dadurch bekommen habe, war das.

Prof. Dr. Christian Hürter:[36:23] Das Relationship Management, das wir schon im Januar oder eigentlich schon Ende 2023 angefangen hatten aufzubauen, dass es noch nicht so weit gedient war und dass wir einfach noch ganz, ganz viele Herausforderungen haben, zumal es ja auch an der Schnittstelle ist, sozusagen jetzt auf der anderen Seite, also Business sozusagen, heißt diese Funktionen ja dann, sind dann die jeweiligen Funktionen der Prozessorganisationen, ich sage jetzt mal zum Beispiel Prozess-Owner oder Key-User und dann das Zusammenspiel hier ist noch nicht überall perfekt austauscht. Also das war ein wichtiges Feedback, dass wir über diese Reife gerade bekommen haben. Achte da bitte weiterhin drauf. Das war jetzt wirklich direkt aus dem Nähkästchen und auch mal ein kurzer Deep Dive.

Markus Kuckertz:[37:05] Jetzt hast du seit 2023 die Erfahrung gemacht, CIO eines solchen alteingesessenen

Markus Kuckertz:[37:11] Industrieunternehmens sein zu können. Und wenn du jetzt mal so Schlussfolgerst aus den Erfahrungen und Beobachtungen, die du aus der Zeit mitgenommen hast, was würdest du denn sagen, was ist die entscheidende Fähigkeit, die ein CIO in der Industrie von morgen mitbringen muss?

Prof. Dr. Christian Hürter:[37:26] Also ich habe hier mir ein paar Gesprächsnotizen gemacht und da steht drauf Business Composer und während ich das lese, jetzt kommt gleich die Wendung, das stimmt zwar, aber ich will es mal gleich ein bisschen einfacher machen. Also mit Business Composer ist gemeint, dass wir eben in dieser anspruchsvollen Welt im Grunde zum Komponisten werden müssen, zwischen Business Daten, Technologie und so weiter. Das stimmt auch, aber es ist mir ein bisschen zu sachlich gesagt. Ich will es ganz bewusst anders beantworten. Die Fähigkeit, die wir brauchen, sind menschliche Fähigkeiten, Beziehungsfähigkeiten, um zu verstehen, Und mitzufühlen. Wenn wir das können, können wir gemeinsam Bilder entwickeln, die auch dann Zukunft wahr werden lassen. Das ist jetzt ein bisschen tiefgründiger und unvorbereitet, aber ich denke, das ist tatsächlich die entscheidende Eigenschaft. Und das Schöne bei dieser Eigenschaft ist, egal wie sich AI weiterentwickelt und ob wir jetzt ersetzt werden oder nicht. Ich meine gut, wenn es keine Menschen mehr gibt, dann wird es auch diese Fähigkeit nicht mehr geben müssen. Aber in diesem Punkt sind wir unersetzlich.

Markus Kuckertz:[38:41] Danke euch beiden für das Gespräch. Und an der Stelle fassen wir immer zusammen, was wir so mitgenommen haben aus der Folge. Lieber Uli. Wie schaut es aus?

Ulrich Irnich:[38:52] Also erstmal vielen Dank, lieber Christian, für die Einblicke und die Offenheit. Ich habe für mich so drei Dinge mitgenommen. Ich wollte es immer auf drei zu reduzieren. Es waren natürlich viel, viel mehr, aber so drei Dinge. Das eine ist, Christian, klares Zielbild zu haben und auch klar zu verstehen,

Ulrich Irnich:[39:10] Wie sich neue Entwicklungen in das Zielbild einreihen. Und das, was mir da sehr gut gefahren hat, wir sind nicht, wie sagen wir das schön, auf der Flucht, sondern haben eine langfristige Sicht darauf und haben auch Zeit bis 20, 35.

Ulrich Irnich:[39:24] Was auch gut ist, weil du musst halt ab und zu auch für deine Zielstruktur innehalten und einfach mal das darauf hinlenken. Das passiert nicht über Nacht, sondern einfach quasi hingelenkt. Das haben wir sehr gut gefallen. Das Zweite ist halt vor allen Dingen, welcher Leidenschaft ihr das als Team umsetzt. Das war in dem ganzen Gespräch sehr stark feststellbar. Und jetzt zum Schluss, das ist so das Dritte, was ich mir aufgeschrieben habe, der Business Composer. Also ich hätte jetzt gesagt, der Business Versteher oder Orchestrierer oder Dirigent. Aber der im Prinzip die verschiedenen Welten zusammenbringt und da logischerweise auch vermittelt. Weil viel ist halt vermittelt. Also das ist auch so meine Erfahrung, Christian. Also Marketing spricht eine andere Sprache als IT. Und Sales spricht eine andere Sprache als IT. Und da braucht es halt ein Stück weit Verständnis, Verständnis schaffen und dann gemeinsam mit diesen neuen Brücken die neuen Wege zu gehen. Und das ist, glaube ich, mehr erforderlich denn je, weil die Technologie ist halt nur eine ganz kleine Komponente in dem ganzen Spiel. Die soll helfen, aber der eigentliche Geschäftserfolg kommt im Zusammenspiel der Menschen im Unternehmen und der klaren Ausrichtung in der Zielsetzung. Und dafür nochmal vielen Dank, lieber Lars.

Prof. Dr. Christian Hürter:[40:42] Dankeschön. Ein sehr klugger Mensch hat mal zu mir gesagt, wenn du alles richtig machst als IT-Leiter, dann hast du 50% der Miete und die anderen 50% sind, was du daraus machst, was du durch Gespräche letztlich verkaufst sozusagen an Ideen im Dialog. Also 100 Prozent zu tun.

Ulrich Irnich:[41:01] Ja, und da bringst du einen Punkt, Christian. Es ist natürlich immer, es hat ein Stück weit mit Verkaufen zu tun. Gute Ideen müssen verkauft werden. Gute Ideen werden nicht über Rationalität verkauft, sondern über Emotionen. Und das ist genau das, was es braucht. Es braucht Emotionen, die gemeinsam zusammenschmieden und halt auch gemeinsam eine Ausrichtung geben.

Prof. Dr. Christian Hürter:[41:23] Sehr gut. Was ich mitnehme, ich mache es ganz kurz, das Playbook, Also gerade bei der massenhaften Integration von Targets, das finde ich nochmal eine ganz tolle Anregung und das zeigt auch, dass du sehr viel Erfahrung auch in großen, komplexen Organisationen hast. Das nehme ich auf jeden Fall an.

Ulrich Irnich:[41:40] Ja, danke Christian. Ich hatte da das Glück, in einem großen Konzern unterwegs zu sein, das jedes Jahr 70 Unternehmen gekauft und auch 70 verkauft hat. Und das kannst du nur mit einem Playbook. Also das kriegst du nicht, indem du halt jedes Mal wieder darüber nachdenkst.

Markus Kuckertz:[41:56] Christian, vielen, vielen Dank für deine Zeit und dafür, dass du hier deine Erfahrungen mit uns geteilt hast. Und danke, dass du bei uns zu Gast warst.

Prof. Dr. Christian Hürter:[42:03] Vielen Dank euch, dass ich hier sein durfte.

Markus Kuckertz:[42:06] Das war der Digital Pacemaker Podcast mit Prof. Dr. Christian Hörter. Folgt uns jetzt auf der Podcast-Plattform eurer Wahl und verpasst keine unserer Folgen. Viel Spaß und bis bald, euer Uli und Markus. Rock’n’roll.