mit Ulrich Irnich & Markus Kuckertz

Shownotes

In Folge #1 geht es um das Thema Purpose in Unternehmen. Zu Gast ist Dominic Veken, Managing Director von BCG Brighthouse. Dominic prophezeit Unternehmen ohne Purpose eine schwierige Zukunft und schlägt Wege vor, wie Unternehmen ihren Purpose finden und etablieren können.
Diskutiert wird die Notwendigkeit eines Purpose als unternehmensweites, langfristiges inneres Anliegen, seine Vorteile im Hinblick auf Schnelligkeit und Flexibilität, Motivation der Mitarbeiter und Attraktivität als Arbeitgeber sowie Wege zu einem tragfähiger Purpose. Das Gespräch schließt mit der Frage wie ein Purpose langfristig und erfolgreich im Unternehmen etabliert wird.

Vernetzt euch mit uns und diskutiert auf unseren Posts zur Folge mit:
Ulrich Irnich: https://www.linkedin.com/in/ulrichirnich/
Markus Kuckertz: https://www.linkedin.com/in/markuskuckertz/
Dominic Veken: https://www.linkedin.com/in/dominic-veken-837023131/

Mitwirkende – Hosts: Ulrich Irnich & Markus Kuckertz // Produktion: Daniel Sprügel & Anna-Lena Behringer, Maniac Studios (https://maniacstudios.com) // Redaktion: Marcus Pawlik // Kommunikation & Community: Anna-Lena Sodies // Team behind the team: Sonja Uller & Stephanie Nguyen Gia. © Digital Pacemaker Podcast 2022.

Zusammenfassung

In dieser Episode des Digital Pacemaker Podcasts sprechen wir mit Dominik Weken, einem Managing Director von BCG Brighthouse, über die zentrale Rolle von Purpose in Unternehmen. Dominik warnt davor, dass Unternehmen ohne klaren Purpose eine herausfordernde Zukunft bevorsteht. Er schlug innovative Wege vor, wie Firmen ihren Purpose entdecken und festigen können, was er als entscheidend für langfristigen Erfolg erachtet.

Wir beginnen mit dem persönlichen Zugang des Co-Hosts Uli, der in seiner Rolle als CIO von Vodafone Deutschland Einblick in die unmittelbare Relevanz von Purpose erhält. Uli reflektiert über die vergangenen Tage und teilt seine Überlegungen zu Hilfsmaßnahmen für Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine, wobei er die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen und deren Bedeutung für den individuellen Purpose hervorhebt. Damit wird bereits deutlich, dass ein starkes inneres Anliegen nicht nur Unternehmensstrategien, sondern auch persönliche Erfüllung prägen kann.

Dominik erläutert, wie sein Werdegang ihn zu dem Thema gebracht hat. Als Führungskraft in einer Kommunikationsagentur fühlte er sich oft von einer fehlenden Begeisterung umgeben und stellte die Frage, wie man einen gemeinsamen Spirit innerhalb von Unternehmen etablieren kann. Er zieht Parallelen zwischen historischer Begeisterung, etwa in der Zeit der Hippies, und der heutigen Unternehmenswelt. Hierbei hebt er hervor, dass Unternehmen mit einem klaren Purpose – wie Tesla, Microsoft oder Apple – nicht nur gut dastehen, sondern auch aktiv Märkte gestalten können.

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist die Notwendigkeit einer Achsendrehung im Verständnis von Unternehmenshierarchien. Dominik beschreibt, wie traditionelle, hierarchische Strukturen, die oft durch top-down-Ansätze geprägt sind, nicht mehr zeitgemäß sind. Stattdessen benötigen Unternehmen agile, horizontale Strukturen, in denen Informationen und Entscheidungen fließend zwischen den Ebenen kommuniziert werden und wo Mitarbeiter befähigt werden, selbstverantwortlich zu agieren. Dieser Paradigmenwechsel führt zu einer dynamischeren und innovationsfreundlicheren Arbeitsumgebung.

Die Diskussion geht weiter in die Rolle der Führungskräfte, die nicht nur als Entscheidungsträger agieren, sondern vielmehr als Servant Leader, die ihre Teams unterstützen und empowern. Das bedeutet, eine Vertrauensbasis zu schaffen, in der Teams in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und Herausforderungen als Gemeinschaft zu meistern.

Wir beleuchten auch die Herausforderungen, vor denen Mitarbeiter stehen, die aus einem stark strukturierten Bildungssystem kommen und sich nun in der fluiden, agilen Welt der Arbeit zurechtfinden müssen. Dominik beschreibt, wie wichtig es ist, diese Herausforderungen als Chancen zu begreifen und die Autonomie der Mitarbeiter zu fördern, um ein Gefühl der Erfüllung und der Kreativität zu schaffen.

Dominik thematisiert schließlich die praktische Umsetzung eines Purpose in Unternehmen. Er betont, dass es darauf ankommt, den Purpose nicht nur als Marketinginstrument zu betrachten, sondern als einen Kern, der aus der Gemeinschaft des Unternehmens heraus entwickelt werden muss. Der Schlüssel liegt in einem Multi-Stakeholder-Ansatz, bei dem die Stimmen und Anliegen aller Interessengruppen Berücksichtigung finden. Dies wird als entscheidend angesehen, um einen authentischen und dienlichen Purpose zu formulieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Engagement nach der Festlegung des Purpose, da es nicht ausreicht, einen Satz zu formulieren und zu hoffen, dass dieser Wirkung zeigt. Stattdessen ist eine aktive Mobilisierung der Mitarbeiter erforderlich, um sicherzustellen, dass der Purpose nicht nur ein Schlagwort bleibt, sondern im Unternehmen lebendig und wirkungsvoll wird.

Diese Episode bietet tiefere Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der Findung und Umsetzung eines Purpose in Unternehmen und beleuchtet, wie wichtig es ist, eine leidenschaftliche und begeisternde Unternehmenskultur zu schaffen, die sowohl das Engagement als auch die Effektivität von Mitarbeitern fördert.

Transkript

Speaker0:[0:00] Das meine ich halt nicht mit Multi-Stakeholder-Ansatz, dass man dann etwas findet, das alle konsensual gut finden, sondern ein Purpose muss auch immer eine Schärfe haben.

Music:[0:09] Music

Speaker0:[0:23] Herzlich willkommen zum Digital Pacemaker Podcast. Wir sprechen heute über das Thema Purpose in Unternehmen. Zu Gast haben wir Dominik Weken von BCG Brighthouse. Dominik prophezeit Unternehmen ohne Purpose eine schwierige Zukunft und schlägt Wege vor, wie Unternehmen ihren Purpose finden und etablieren können. Aber Uli, bevor wir jetzt zu unserem Gast kommen, würde ich gerne auch dich begrüßen. Du bist hier mein Co-Host. In deiner Rolle als CIO von Vodafone Deutschland hast du ja einen prall gefüllten Kalender mit vielen verschiedenen Themen und Kontakten. Ich kriege immer so ein bisschen die Beschwerden mit von deiner Personal Assistant, die das ja alles immer so managen muss. und 20 Layer übereinander managen müssen. Und wenn wir jetzt mal den ganz platten Schwenk vom Thema Purpose auf deinen Kalenderwagen, wenn du jetzt mal für dich überlegst, in den letzten sieben Tagen für dich persönlich, was hat da am meisten Purpose also Sinn gehabt in deinem Kalender für dich?

Speaker1:[1:13] Vielen lieben Dank, lieber Markus, für die Frage. Und in der Tat war das ganz heute Morgen, um ganz offen zu sein, weil wir heute Morgen mit unserer Geschäftsführung nochmal über Hilfepakete für Ukraine Und wer sich jetzt gerade aktuell die Situation so ein bisschen anschaut, der weiß, wie schrecklich das da ist und welche Maßnahmen wir als Unternehmen für Mitarbeiter und Mitarbeiter aus der Ukraine im eigenen Unternehmen, aber auch gerade für die Flüchtlinge, die jetzt Richtung Deutschland strömen, was wir da tun können. Und da merkst du schon anhand dieser Thematik, wie schnell du befangen bist und wie schnell du in dieser Sinnhaftigkeit bist und wie du auch für dich erkennst, dass all die Dinge, die du gerade beschließt und die du gerade diskutierst, wie viel Mehrwert die schaffen und auch persönliche Erfüllung, wie schrecklich die Situation auch ist, aber diese Hilfestellung zu geben, wie sinnhaftig das ist. Und das macht natürlich für mich den Charakter eines Purpose logischerweise aus.

Speaker0:[2:11] Unser Gast ist heute Dominik Weken, Managing Director bei BCG Brighthouse. Herzlich willkommen, Dominik. Hallo. Was verbindet dich mit dem Thema Purpose und inwiefern hast du dich in den letzten Jahren damit auseinandergesetzt? Vielleicht magst du dich einfach mal kurz für unsere Runde hier vorstellen. Ja, gerne. Also wie gesagt, ich bin Geschäftsführer von BCG Brighthouse. Das ist eine Einheit, die sich in der Hauptsache mit Themen nicht nur wie Purpose, sondern auch Mobilisierung von Organisationen und Kulturentwicklung beschäftigt.

Speaker0:[2:42] Wie bin ich zu dem Thema Purpose gekommen? Also zwei Gründe. Das eine war, dass ich viele Jahre Geschäftsführer und Gesellschafter einer Kommunikationsagentur war und da in der Zusammenarbeit mit Kunden häufig das Gefühl hatte, dass es wenig Begeisterung gibt. Also dass Formulare ausgefüllt werden, wo dann sowas wie Benefit, Reason Why und so weiter drin stand. tolle Modelle entwickelt wurden, aber so richtig ein inneres Anliegen ist da niemand gefolgt. Es gab wirklich eher Konsens statt Begeisterung. Da habe ich mich gefragt, aber geht es nicht auch anders? Und habe dann darüber nachgedacht und bin auf andere Bereiche als die Wirtschaft gekommen, habe eher als erstes an die Hippies gedacht und dachte, Mensch, die haben damals wirklich voller Begeisterung, voller Purpose versucht, die Welt zu verändern. Und das haben sie ja dann auch geschafft. Und sie haben das geschafft, ohne dass sie dafür jemandem viel Geld geben mussten, der für sie gearbeitet hat, sondern es gab eine riesen Engagementwelle durch dieses innere Anliegen, durch diesen Kern der Überzeugung. Und diese Art von Geistesgemeinschaften findet man eben überall in der Gesellschaft. Wir erleben es jetzt gerade wieder mit dem Krieg in der Ukraine. Wir haben es gerade gehört.

Speaker0:[4:00] Das mobilisiert halt Kräfte, weil es einem Sinn folgt, einer Überzeugung folgt. Und ich habe mich eben gefragt, warum gibt es das in Unternehmen weniger stark und warum gibt es das seltener? Und deshalb habe ich mich mehr und mehr mit diesem Thema beschäftigt. Am Anfang hieß das für mich noch gar nicht Purpose, sondern Corporate Spirit, also so ein gemeinsamer Geist. Und Purpose hat ja dann erst im Laufe der Jahre eine Konjunktur erfahren als Begriff und insofern habe ich die ersten Projekte, die ich gemacht habe, gar nicht unter diesem Begriff sozusagen gemacht, sondern eher im Sinne einer Unternehmensphilosophie.

Speaker0:[4:40] Du bezeichnest dich ja selber auch als Unternehmensphilosoph und sicherlich aus dem Hintergrund, dass du ja als Strategieberater auch viel unterwegs warst. Und ich versuche mal so die Thesen, die ich bisher so von dir gelesen habe, mitbekommen habe, mal in meinen Worten zu fassen. Und du sagst ja, also Unternehmen sind natürlich einem ständigen Veränderungsdruck aus dem Wettbewerb unterlegen. Und du sagst, dass die mit einer neuen Organisation, beziehungsweise einer anderen Form der Steuerung des Miteinanders begegnen müssen. Du schreibst, das traditionelle hierarchische Modell von Unternehmen würde so nicht mehr funktionieren. Also das, was wir so kennen, das ursprüngliche Top-Down oder dieses Arbeiten in so sequentiellen Silos. Und ein zentraler Begriff, der mir da aufgefallen ist, ist der der Achsendrehung. Den fand ich ganz zentral, wenn man sich da dieses, sag ich mal, 360 Grad so vorstellen kann. Was meinst du damit? Also erstmal muss man sagen, in der Tat, wir erleben gerade oder stehen vor einer Schwelle einer größeren Kulturveränderung, mit dem viele Organisationen und Unternehmen gerade zu kämpfen haben. Woran liegt das? Naja, was wir erleben ist halt eine Zunahme von Komplexität in der Gesellschaft und das hat es schon über die letzten Jahrtausende immer wieder gegeben, dass es Schwellen gibt, wo man mit den Methoden und der Kultur.

Speaker0:[5:56] Mit der man einem bestimmten Komplexitätslevel, noch Herr werden konnte, irgendwann nicht mehr weiterkommt. Und das erleben wir gerade. Wir haben durch die Industrialisierung ein System aufgebaut, das es über Verwaltungstechniken hinbekommen hat, Komplexität handhabbar zu machen.

Speaker0:[6:16] Das funktioniert eben durch klassische Pyramidenstrukturen, durch Prozessbeschreibungen, durch bestimmte Formen von Zusammenarbeit, die eben sehr hierarchisch geprägt ist. Und der Nachteil ist, dass das alles zwar extrem gut funktioniert hat in der Koordination größerer Organisationen, aber eben viel Zeit beansprucht, um diese Verwaltung durchzuführen. Das heißt, man muss überhaupt erst mal auf Umfeldveränderungen reagieren, dadurch, dass man einen Informationsfluss von oben nach unten und unten nach oben steuert, der zu einer Verzögerung führt. Und letztlich, du hast es eben gesagt, es gibt gerade einen großen Druck von außen auch, was Veränderungen betrifft. Man läuft dann immer hinterher, wenn man diesem Druck folgen will. Und deshalb ist es eben wichtig, einen Purpose zu haben, eine Vorstellung zu haben, was einen im Inneren antreibt, sodass man nicht dem Druck von außen folgen muss, sondern dem eigenen inneren Anliegen. Und man sieht die großen erfolgreichen Unternehmen gerade, nehmen wir mal Tesla, nehmen wir Microsoft, nehmen wir Apple etc.

Speaker0:[7:27] Sind alles Unternehmen, die so ein starkes inneres Anliegen haben. Die haben eine Vorstellung davon, wie die Welt in Zukunft sein soll. Und das haben sie nicht, weil ihnen das von außen vorgeschrieben worden ist, sondern das haben sie, weil sie diesen Überzeugungskern für sich früh etabliert haben in ihren Strukturen und dann sozusagen der Zeit auch ein Stück weit vorauslaufen können und damit auch Märkte gestalten können. Wenn man immer nur auf Marktdruck und Veränderungsdruck von außen reagiert, dann ist man immer ein Stück weit zu spät. Und wenn wir uns tatsächlich in Zeiten großer Komplexitätsvermehrung befinden, dann wird diese Zeit, die man braucht, um hinterherzulaufen, irgendwann zu lang. So, und jetzt kommen wir zum Thema Achsendrehung. Was bedeutet das? Naja, wir befinden uns in einer Zeit.

Speaker0:[8:16] Wo wir feststellen, dass die Art, wie wir Gesellschaft und Organisation bisher aufgebaut haben, nämlich in einer vertikalen Ordnung, wo es immer darum ging, wie komme ich eigentlich von unten nach oben oder wie schaffe ich es nicht, von oben nach unten durchzufallen im gesellschaftlichen Raster und wie kann man, wie ich eben gesagt habe, Informationen zwischen oben und unten hin und her spielen. Das verändert sich gerade in eine horizontale Richtung. Was bedeutet das?

Speaker0:[8:47] Das bedeutet, dass die Leute von oben nicht mehr den Leuten von unten sagen, was zu tun ist, sondern die Leute, die weit vorne sind, sagen eher den Leuten, die weiter hinten sind, was zu tun ist. Die klassischen Hierarchien, die klassische vertikale Ordnung in Gesellschaften ist damit ein Stück weit in Frage gestellt und wird jetzt Stück für Stück in unterschiedlichen Bereichen der Welt in unterschiedlicher Geschwindigkeit abgelöst. Und das heißt Achsendrehungen. Und bestes Beispiel dafür, wir reden heute von Influencern, wir reden von Followern. Das ist eine andere Logik als die alte von, wir wissen ja, Unternehmen sind eigentlich nach dem preußischen Militär aufgebaut. Das heißt, es gibt oben General und unten Gefreiten und dazwischen unterschiedliche Stufen, wo dann eben Befehle empfangen werden und weitergegeben werden. Das ist mehr und mehr vorbei. Also bei diesem System sind wir gerade in einer großen Krise und suchen alle händeringend nach Methoden, wie kommen wir denn dieser Achsendrehung am besten auf die Spur.

Speaker0:[9:51] Uli, ich muss gerade schon lächeln. Wenn ich jetzt natürlich in das Organigramm der Vodafone schaue, dann stehst du da natürlich in deiner Rolle als CIO sehr weit oben. Wenn du das reflektierst jetzt für deine Rolle oder für dich vor allem als Führungskraft, als Person, wie übersetzt sich das den Alltag eines Leaders? Wie kann man das gut für sich nutzen?

Speaker1:[10:09] Also grundsätzlich bin ich auf der Ebene, dass sich die Pyramide quasi genau andersrum dreht. Ich verbreite Informationen und gebe dieses Wissen dem Team und empowere damit logischerweise das Team, Entscheidungen selber zu setzen. Das heißt aber auch für eine Führungskraft eine andere Herausforderung, nämlich dahingehend, dass ich nicht alles weiß und alle Richtungen vorgebe, sondern halt eher dazu einlade, Transparenz zu geben, Stimulation darauf zu geben, zu inspirieren und gleichzeitig Brücken zu bauen, damit die Teams ideal arbeiten können. Also als Servant Leader, so heißt das ja neubohlig mittlerweile, versuche ich Brücken zu bauen und solche Widerstände aufzuheben, damit die Teams auf dieser Horizontale, wie Dominik es eben beschrieben hat, ideal arbeiten können. Und das ist umso wichtiger, wir sind in einem perfekten Sturm. Also wir haben auf der einen Seite Digitalisierung, bis der Arzt kommt. Wir haben Mobilisierung, das heißt jeder trägt ein Smartphone, trägt quasi ein Rechenzentrum in der Hand. Jetzt kommen neue Technologien wie 5G, Mac, also Mobile Edge Computing, wo ich nochmal mehr Rechenpower ans Endgerät bringe. Und das bedeutet, der Takt, wie sich Dinge ändern, nimmt immer mehr zu. Also muss ich die Entscheidung dahin bringen, wo sie direkt Einfluss nehmen kann und wirksam werden kann. Und das ist, glaube ich, die große Herausforderung der Führungskräfte von heute, sich genau diesem Wandel zu stellen und diesen Wandel halt mit zu begleiten und halt dieses Sinn stiftende logischerweise zu unterstützen.

Speaker0:[11:38] Vielleicht noch, wenn ich da noch einhaken darf, weil ich finde das super spannend, wie du es beschreibst, um nochmal Purpose und diese Akzentrierung zusammenzubringen. Es ist eben so, dadurch, dass alles sich immer schneller bewegt und immer komplexer wird und wir in dieser Horizontalen agieren, wird alles auch immer kurzfristiger und verflüssigt sich. Es muss immer schneller gehandelt werden, schneller entschieden werden. Man fährt im Prinzip auf Sicht in gewisser Weise und deshalb ist ein Purpose so wichtig, weil der Purpose ist das Langfristige in diesem ganzen Spiel, ist der Nordstern, an dem man sich bei dieser Kurzfristigkeit langfristig orientieren kann. Und das ist für Menschen auch extrem wichtig, dieses stabile Element irgendwo im Firmament zu sehen und zu spüren. Und wenn das dann auch noch Sinn ausstrahlt, dann ist das eben für den Arbeitsalltag essentiell. Wir haben das jetzt natürlich auch sehr stark nochmal beleuchten können aus der Sicht des Leaders und des Unternehmens. Wie sieht es denn aus mit den Mitarbeitern, die ja letztendlich Teil des Ganzen sind und auch letztendlich eben in Wertschöpfung, in Operative gehen müssen? Wie verändert sich das Mindset der Mitarbeiter?

Speaker0:[12:48] Naja, es ist natürlich so, dass jetzt völlig neue Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt werden. Man kann sich das ja einfach vorstellen. Wir gehen mit vier Jahren in den Kindergarten, dann gehen wir in die Schule, dann studieren wir und letztlich erleben wir immer das Gleiche. vorgefertigte Strukturen, die wir abarbeiten müssen. Es gibt Lehrpläne, es gibt Lehrer, es gibt feste Uhrzeiten. Alles ist so wie vor 60, 70 oder 80 Jahren. Und das hat mit dem Arbeitsalltag heute überhaupt nichts mehr zu tun. Also man ist dann fertig mit dem Studium und springt in eine Welt, wo plötzlich alles sich verflüssigt, agiler wird, wo man permanent mit neuen Anforderungen zu tun hat und wo man vor allen Dingen viel selbstverantwortlicher sein muss. Und sich seine Themen sozusagen selber entwickeln muss und vorantreiben muss. Und das erzeugt häufig große Irritationen. Und wir haben ja heute ein großes Set von unterschiedlichen Arbeitsmethodiken.

Speaker0:[13:48] Gerade aus dem agilen Umfeld, die es einem ermöglichen, dann Schritt für Schritt und mit einem starken Team zusammen und mit Führungskräften, die, wie Uli sagt, eben die Pyramide andersrum drehen, dahin zu kommen, dass man dann auch dieser neuen Situation Herr werden kann und vor allen Dingen dann im Sinne dieser Verflüssigung auch surfen kann und eine Freude und einen Spaß daran haben kann, dass die Welt so ist. Denn mal ganz ehrlich, wer will eigentlich noch in Unternehmen arbeiten, die wie eine Schule aufgebaut sind, wo man irgendwie für ein Jahr seine gesamten Arbeitsprozesse aufgeschrieben bekommt und die im Sinne einer To-Do-Liste nur abarbeiten muss. Das ist ja eigentlich eine tolle Botschaft, dass wir uns aus dieser Zeit und aus diesen Strukturen rausbewegen und viel mehr Richtung Freiheit, Richtung neue, auch verflüssigte Formen der Zusammenarbeit gehen, wo auch viel mehr Kreativität und Gestaltungsmöglichkeit gefragt sind. Willi, wenn du auf deine Stationen als Führungskraft zurückblickst und du siehst ja auch, wie sich das vielleicht dann über die Jahre verändert hat, was würdest du sagen, wie hilft das denn vielleicht auch, um neue Mitarbeiter sowohl im Unternehmen als auch außerhalb für sich zu begeistern? Wie kann man das gut einsetzen?

Speaker1:[15:03] Also ich bin ja in einem Zeitalter groß geworden als Führungskraft, wo das Bossing noch in Mode war. Das ist Gott sei Dank alles so abgeklungen, aber es ist ähnlich wie Dominik das beschreibt. Auch Führungskräfte haben mal so eine Phase durchlebt, wo es teilweise en vogue war, gewisses Wissen zu beherrschen und Wissen halt logischerweise auch gewisse Machtstrukturen ausgestrahlt hat. Und das ist, ich sag mal, schön, aber das hilft nicht, die komplexen Herausforderungen der Welt zu lösen. Und das hilft auch nicht, ich sage mal, Menschen zu begeistern für einen Purpose oder für eine Richtung oder für eine Innovation.

Speaker1:[15:37] Ich glaube, wir sind alle in so einem, und ich nehme mal das Bild von Dominik, in so einem Strom, nämlich A, umzulernen. Und da gibt es Menschen, die sind relativ schnell ganz vorne und sagen, ja, diesen Freiheitsgrad brauche ich und genau da kann ich mich am besten entwickeln und auch am besten entfalten. Und es gibt Menschen, die brauchen eine Zeit lang, um das zu lernen und auch zu verstehen, wie sie das adaptieren und aus diesen Erfahrungen auch für sich den neuen Arbeitsstil zu adaptieren. Und das ist auch gut so. Und wir müssen helfen dabei, das genau sicherzustellen. Aber das, was entscheidend ist, in dieser gemeinsamen Kollaboration und diesen Modellen, schaffe ich halt neue Möglichkeiten. Und diese neuen Möglichkeiten schaffen es auch für Unternehmen attraktiver zu werden. Und das ist ja das Spannende dabei. Wir wissen, 65 Prozent der Rollen, die in 20 Jahren oder in 10 Jahren notwendig sind, kennen wir heute noch nicht. Also ich stelle mal vor, was das für eine große Chance ist. Für den einen ist das eine große Chance und für den anderen ist das eine große Gefahr. Und genau diese beiden Welten müssen wir zusammenbringen und dann entsteht da echt was Gutes. Und das hat ein Stück weit mit Haltung zu tun und natürlich logischerweise auch, wie ich mit diesen Themen dann entsprechend umgehe. Aber ich sehe das als große Chance, gerade was Erfüllung angeht und gerade auch was die Möglichkeit der Gestaltung an jedem Einzelnen logischerweise angeht.

Speaker0:[16:52] Ich finde es super, dass wir das eher in Richtung Chancen gerade interpretieren, die Autonomie, die auch entsteht. Also diese Befreiung, die darin liegt, wirklich neu mit Themen umzugehen, ist eigentlich die positive, die frohe Botschaft. Und was natürlich damit einhergeht, und da hat Uli total recht, ist eine gewisse Angst auch, dass man nicht mehr voraussehen kann, Was ist denn eigentlich nicht nur in fünf Jahren, sondern was ist eigentlich nächstes Jahr los? Und das ist etwas, wo wir alle gemeinsam schauen müssen und die Organisationen auch ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Wie kann man Menschen dabei unterstützen, mit dieser neuen Situation umzugehen, dass man eben im Prinzip sagen muss, die Zukunft ist ein schwarzer Raum, der einem Angst machen kann, der aber auch unglaublich viele Freiheitsgrade eröffnet. Und in diesen schwarzen Raum geht man am besten gemeinsam und schickt nicht Leute alleine da rein. Wenn wir Purpose jetzt verstanden haben als Chance und vielleicht auch ein Stück weit als Instrument für ein Unternehmen, dann kommt jetzt natürlich die Frage, ja, wie komme ich denn eigentlich jetzt dahin? Wie finde ich denn jetzt eigentlich das Unternehmen meinen Purpose? Kannst du da vielleicht was zu sagen?

Speaker0:[18:04] Ja, das hat sich natürlich auch über die letzten Jahre und das letzte Jahrzehnt deutlich verändert, wie man an die Suche eines Purpose herangeht. Und vielleicht als Vorabbemerkung wichtig ist, dass man einen Purpose tatsächlich finden muss. Wir sagen auch manchmal, dass man ihn ausgraben muss, denn jede Organisation hat eigentlich einen Purpose in sich.

Speaker0:[18:27] Meistens ist der ein bisschen verschüttet durch das tägliche Arbeiten und das Abarbeiten von To-Do-Listen. Aber er ist immer präsent. Und die Notwendigkeit ist eben, dass man nicht versucht, einen Purpose zu erfinden. Und von außen aufzuoktuieren, sondern dass man ihn freilegt. Und die Frage ist, wie legt man ihn denn frei? Und ich habe es gerade gesagt, da haben sich die Methodiken und die Ansätze schon verändert. Heute sind wir in einem Zeitalter, wo man über Multi-Stakeholder-Approaches kommt. Das heißt, man versucht nicht, eine einzelne Zielgruppe in den Mittelpunkt zu stellen, zum Beispiel die Kunden, sondern man versucht, unterschiedliche Zielgruppen und Interessengruppen erst mal zu verstehen. Also, was wollen die Mitarbeiter, was wollen die Kunden, wo stehen die überhaupt? Was ist der gesellschaftliche Beitrag eines Unternehmens, eine Rolle in der Welt? Und was ist auch der Standpunkt der Organisation im Sinne einer kulturellen Gemeinschaft? Was ist die Kultur des Unternehmens und was wollen die Aigner? Wenn man all diese unterschiedlichen Interessengruppen versteht und deren Anliegen einmal erfassen kann.

Speaker0:[19:38] Und sich dann überlegt, was ist denn die Schnittmenge all dieser Interessen? Was ist sozusagen der Kern, der für alle relevant eine Richtung vorgeben kann? Dann kommt man einem Purpose nah. Denn in dieser Schnittmenge befindet sich dann das, was man rausschälen kann und was man dann möglichst prägnant und präzise auf den Punkt bringen sollte. Und das kann dann entsprechend einem die Sicherheit einer langfristigen Ausrichtung geben. Wir sprachen eben davon, wenn man in den schwarzen Raum gehen will, ist das notwendig. Und es kann auch einen motivieren. Es kann wie ein Motor wirken. Ein solches inneres Anliegen ist eben auch etwas, das Energie freisetzen kann. Und das ist auch eine ganz entscheidende Funktion eines Purpose.

Speaker0:[20:21] Uli, jetzt stelle ich mir gerade vor, du hast das ja öfter erlebt, man kommt so als Senior Leader oder als Geschäftsführungsmitglied in so eine neue Organisation, in so ein neues Unternehmen und ist natürlich total guter Dinge. Man hat sich auch vorgenommen, man möchte den Purpose vielleicht freilegen, um da auch neue Kräfte zuzulassen. Und dann stehen so die Mitarbeiter vor, einmal bildlich gesprochen und die haben natürlich alle vielleicht schon ihren Rucksack so mit sich. Und das sind vielleicht auch nicht immer nur positive Erlebnisse in Verbindung mit dem Unternehmen. Wie geht man denn da vor?

Speaker1:[20:50] Meiner Erfahrung nach ist die erste wichtige Tugend, alle zu beteiligen. Weil es ist nicht nur das Freigraben eines Einzelnen, sondern es ist das Freigraben der Gemeinschaft. Und in dem Moment, wo die Gemeinschaft was freisetzt, entsteht ja schon Bindung. Und dieses gemeinsame Fassen des Purpose und der Aufbruchsstimmung. Für den einen macht das direkt beim ersten Spatenstichklick. Und für den zweiten, der braucht drei, vier Stiche und fünf, bis dann wirklich alles sichtbar ist, ja. Und da gibt es auch noch welche, die fragen, auch nachdem der freigelegt ist, ist es das wirklich? Und da hilft natürlich die Erfahrung, also über Experimentieren, über das Erleben und logischerweise halt auch über das Teilen von Erfahrungen, ja, also Bewusstheit, auch einen Raum schaffen, wo darüber offen gesprochen wird, was genau diese Bewegung, Richtung, in eine Richtung logischerweise auslöst, ja. Und da hilft kein PowerPoint, das hilft definitiv nicht, sondern es ist ein gemeinsames Erlebnis und das ist wichtig in dem Zusammenhang.

Speaker1:[21:54] Natürlich können solche Dinge wie, du hattest eben gesagt, Dominik, so Spirit, so hieß es ja auch mal früher, also gewisse Beispiele, die das greifbarer machen und halt auch erlebbarer machen, Beispiele dazu immer wieder aus der Praxis, aus dem alltäglichen Preis zu geben. Du erinnerst dich, Markus, als wir den Vodafone Spirit ausgerufen haben, dann haben wir die Spirit Rocker erfunden, also Leute, die mit Kutten rumgelaufen sind und haben gesagt, guck mal, das ist der Spirit. Da haben am Anfang so ein paar Leute ganz skeptisch geguckt und haben gesagt, was rauchen die denn? Aber du siehst halt über die Zeit, dass dann Vertrauen entsteht und dann auch der Glaube daran, dass der Nordstern, der jetzt da ausgegraben worden ist, dass das die richtige Richtung ist. Und dann merkst du, wie dieser Energiefluss freigesetzt wird. Und natürlich, wenn du Unternehmen hast, die aus verschiedenen Unternehmen zusammengekauft worden sind, wo auch verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, dann hat das was anderes auszuleben, als wenn du jetzt so ein Startup-Grundes, die alle direkt mit der gleichen Meinung auf den einen Purpose zielen. Und das ist eine andere Vorgehensweise. Aber beides geht.

Speaker0:[22:59] Beides geht und was vielleicht aber auch wichtig ist zu Risiken und Nebenwirkungen eines solchen Prozesses. Ich finde das total richtig, dass man natürlich möglichst in der Breite so ein Purpose freilegen muss, also möglichst auch Menschen beteiligt, die betroffen sind von dem Ganzen. Aber man muss auch ein bisschen aufpassen, weil was häufig passiert dann ist, dass man irgendwann den kleinsten gemeinsamen Nenner unterschiedlichster Perspektiven als Purpose verkauft. Und wir haben uns mal letztes Jahr die Mühe gemacht, von allen DAX-Unternehmen die Purpose-Sätze rauszufinden und zu vergleichen. Und das ist schon so, dass die zum Großteil sehr ähnlich sind und in der Regel auch häufig relativ nichts sagen. Also da kommen immer die gleichen Worte wie Future, Shaping und was weiß ich raus. Und letztlich bewegt das dann halt niemand mehr. Man hat zwar viele Leute beteiligt und jeder hatte eine Meinung.

Speaker0:[23:54] Letztlich ist man dann dazu gekommen, da irgendwie alle zu befriedigen. Und das meine ich halt nicht mit Multi-Stakeholder-Ansatz, dass man dann etwas findet, dass alle konsensual gut finden, sondern ein Purpose muss auch immer eine Schärfe haben, muss auch immer etwas haben, eine Kante. Und Uli hat es ja auch gesagt, wo manche dann vielleicht erst mal die Nase rümpfen und sagen, was ist denn das? Ist das denn überhaupt so richtig?

Speaker0:[24:17] Aber so kann nur wirkliche Überzeugung erwachsen, dass dann wirklich Leute das für sich nehmen und vorantragen und dann folgen auch die anderen. Und so entsteht eine Energie, so entsteht eine Welle, so funktionieren auch Social Movements. Und vielleicht, wenn ich schon dabei bin, Das wäre sozusagen der eine Fehler, der häufig gemacht wird, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu definieren. Und der zweite große Fehler, der häufig gemacht wird, ist, dass man dann einen Satz formuliert und denkt, das ist jetzt der Purpose und der Rest wird dann schon automatisch passieren.

Speaker0:[24:49] Also man macht dann ein paar Poster, wo dann dieser Satz draufsteht. Die werden dann in irgendwelche Foyers oder vielleicht auch in Meetingräume gehangen. Und dann gibt es eine CEO-Veranstaltung, wo der Purpose verkündet wird. Und dann hofft man, toi, toi, toi, dass jetzt alle das super finden und das Unternehmen sich ändert. Das funktioniert natürlich gar nicht, sondern da muss man wirklich schauen, die größte Arbeit am Purpose ist dann fällig, wenn der Purpose formuliert ist, nämlich im Nachgang sozusagen. Und hier geht es dann wirklich darum, zu mobilisieren. Hier geht es darum, Kultur zu verändern. Wir selber haben eine eigene Methodik namens Culture Genetics entwickelt, die erstmal versucht zu verstehen, wo steht eine Kultur eigentlich und wohin kann ein Purpose diese Kultur führen und das dann eben anhand einzelner Kulturelemente auch sehr präzise und ganzheitlich vorne zu tragen.

Speaker1:[25:49] Da bin ich 100 Prozent bei dir, Dominik, weil ich sage es einfach mal, wenn so ein Purpose nichts auslöst, keine Emotionen und im Prinzip nur auf Kaffeetassen steht, dann bleibt er auch nur da. Da muss tatsächlich auch eine Emotion bei entstehen. Und du sagst es, also das Runterschreiben ist harte Arbeit, überhaupt keine Frage, aber das dann auch mit Leben zu füllen. Eine Organisation guckt ja, ist das ernst gemeint oder ist das jetzt einfach wieder eine Initiative, die dann irgendwie verpufft. Nee, das ist etwas, das bleibt. Das ist ein Nochtstern, der nicht morgen wieder verglüht oder sonst irgendwas, sondern der ist da und der bleibt da. Und das ist auch wichtig, weil gerade wenn wir in zu viele schwarze Räume gehen, dann brauchst du einen Nochtstern, an dem du dich orientieren kannst, der dann Halt gibt. Aber wenn das nur eine Marketingblase ist, dann ist schon beim ersten Anfassen weißt du, oh, der hält nicht. Und das darf eben nicht passieren.

Speaker0:[26:43] Wenn wir mal ein Beispiel dafür nehmen und dieser Tage hat dieser Purpose eine ganz besondere Aktualität. Einer meiner Lieblingssätze ist von der Washington Post. Die haben schon seit vielen, vielen Jahren einen Purpose, der heißt Democracy dies in darkness. Wenn man da überlegt, ein neuer Mitarbeiter fängt an und das ist der Satz, der ihn empfängt und der ihm vom Chefredakteur vielleicht dargereicht wird, dem muss man nicht mehr viel erzählen. Der weiß genau, wofür die Washington Post antritt und was das große innere Anliegen ist. Und das wäre mir auch noch wichtig bei einem Purpose. Der muss immer etwas sehr Großes formulieren. Denn Begeisterung entsteht, wenn man sich als Teil von etwas Großem fühlt. Das ist auch eine Kernfunktion, die neben der Langfristigkeit einfach die Dimensionalität beschreibt, die ein Purpose eben aufmacht.

Speaker0:[27:42] Das war jetzt schon ein gutes Beispiel. Gibt es noch weitere Beispiele aus deiner Sicht, wo dieses Werkzeug, so nenne ich das jetzt mal, besonders gut von einem Unternehmen aufgegriffen und umgesetzt wurde, dass man wirklich auch dann diese Hartnäckigkeit und auch diese Ausdauer an den Tag legen konnte, das wirklich langfristig zu verfolgen? Also ich würde mal ein Beispiel nennen, auf das ich persönlich sehr stolz bin, das ich selber formuliert habe vor vielen Jahren und zwar für die Marke Duden und das Unternehmen Duden und da heißt der Purpose Sprache sagt alles. Und macht eben vielleicht auch deutlich, was die Funktion des Duden immer war und auch immer sein wird, es zu ermöglichen, dass Sprache eben alles sagt. Und im Prinzip sind sie so eine Instanz, die dafür sorgt, dass das niemals angegriffen wird, dadurch, dass Sprache verarmt und in die falsche Richtung gerät. Wenn ihr beide vielleicht mal an euch selber als Mitarbeiter denkt und auch mal auf eurer Laufbahn jeweils zurückkommt, was ist denn für euch ein starker Purpose gewesen, dem ihr selber vielleicht sogar ganz gut folgen konntet?

Speaker1:[28:46] Also ich habe mal für einen amerikanischen Konzern gearbeitet. Completely Satisfying Customer Needs Profitable. Der war sehr stark auf Kunden orientiert, aber gleichzeitig auch die Profitabilität logischerweise mit ausgepackt. Und das war für uns der Antrieb zu sagen, ist die Lösung, die wir da gerade bauen und das Produkt, was wir gerade bauen, hilft die unseren Kunden selber, ist aber erfolgreich zu sein und hilft es uns auf der anderen Seite auch unser Geschäft weiter auszubauen. Das ist bei dem Konzern, bei dem ich da war, war das wirklich etwas, das wurde auf allen Ecken gelebt. Das war Gegenstand von Meetings, das war Gegenstand von Kundengesprächen und das war Gegenstand auch von, das muss man fairerweise sagen, auch tatsächlich Unternehmensentwicklung und Mitarbeiterentwicklung. Also das war schon vollkommen durchdacht, muss ich ganz ehrlich sagen. Und das ist mir nach wie vor, wie sagt man so schön, wie in die DNA geschrieben.

Speaker0:[29:43] Ich würde vielleicht mal ein Beispiel nehmen, das nochmal die Geschichte weiterspinnt, die ich am Anfang erzählt habe. Denn dadurch, dass ich für mich ein Purpose, ein Arbeitspurpose gefunden habe, hat sich mein Leben komplett verändert. Nicht nur mein Arbeitsleben, ich habe nicht nur meinen Job gekündigt und einen anderen gemacht, sondern dann wirklich über die letzten zwölf Jahre die komplette Art und Weise, warum ich überhaupt jeden Tag arbeite. Und mein Purpose ist eigentlich nur ein einziger Begriff, nämlich Glow. Und Glow steht für das Leuchten in den Augen von Menschen. Und meine persönliche Mission ist, wenn ich Unternehmen berate, es möglichst vielen Menschen in der Organisation zu ermöglichen, wieder ihr Leuchten in den Augen zu finden. Und das ist etwas, was mich antreibt, was mir wirklich eine langfristige Orientierung gibt und übrigens auch eine große Befriedigung, wenn man feststellt, dass man mit dieser Mission hier und da sichtbar erfolgreich ist.

Speaker0:[30:40] Jetzt waren das ziemlich gute Beispiele. Was mich natürlich auch interessieren würde, oder auch unsere Hörer und Hörerinnen, gibt es vielleicht auch schlechte Beispiele? Also wo das Konzept des Purpose vielleicht gar nicht so richtig verstanden wurde. Ihr habt das eben mal so angedeutet, wo man vielleicht einfach so eine Tagline gebraucht hat, weil andere das auch hatten. Und was mich natürlich interessiert, was sind die negativen Auswirkungen oder vielleicht sogar Risiken, wenn man das falsch anwendet? Gibt es da Beispiele? Ja, also ich würde jetzt gar nicht konkrete Beispiele nennen. Ich will ja auch keinem Unternehmen zu nahe treten, aber ich habe das ja eben schon gesagt. Es gibt halt unglaublich viele sehr austauschbare Purpose-Sätze. Ich überschreibe die immer gerne mit gemeinsam mehr erreichen. Das ist so eine komplette Null-Aussage. Also da ist natürlich eine Aussage, aber die berührt niemanden, die holt niemanden ab, die löst überhaupt nichts aus.

Speaker0:[31:28] Auch wenn sie vielleicht manchmal nett gemeint ist und diese Struktur von Purpose-Sätzen findet man sehr häufig und Naja, es ist eine Gefahr. Sagen wir mal, das kleinste Risiko wäre, dass es einfach dann nicht wahrgenommen wird und nebenbei läuft. Das ist, glaube ich, sehr, sehr häufig der Fall. Die größere Gefahr ist, dass die Leute irgendwann zynisch werden, die zum dritten Mal mit so einem Satz konfrontiert werden in ihrer Laufbahn. Und wir wissen ja, dass fast jedes Unternehmen inzwischen einen Purpose hat und vielleicht auch schon den zweiten oder dritten. Und das ist etwas, was ich gerade wahrnehme, so die letzten zwei, drei Jahre, dass der Begriff Purpose auch ziemlich in Verruf gerät, dass viele eine inzwischen sehr ambivalente bis auch negative Haltung dazu haben. Und ich kann es auch verstehen, weil es einfach, man redet über Sinn, aber die Aussagen sind nichtig. Und diese Kombination ist toxisch für das ganze Konzept von Purpose. Und ich versuche immer dagegen zu halten und dagegen zu kämpfen, dadurch auch, dass man hart bleibt und scharf bleibt und sich auch was traut mit einem Purpose und mutig ist. Ich denke auch so Sätze wie Democracy Dies in Darkness haben auch ein Mutpotenzial, das dahinter steht. Ja, man kann nur hoffen, dass es gelingt, da die Purpose-Flagge hoch zu halten und nicht den vielen missglückten Versuchen irgendwann zum Opfer fällt.

Speaker1:[32:54] Und da möchte ich einfach anknüpfen. Großartige Mitarbeiter schaffen großartige Unternehmen. Und in dem Moment, wenn tatsächlich so etwas toxisch wird, ist der Effekt genau gegenteilig. Und das macht sich dahin bemerkbar, dass entweder man selber sehr unzufrieden ist und das Gegenteil von den funkelnden Augen entsteht, nämlich da stehen matte Augen ohne Reaktion. Und wie will ich für ein Produkt oder für ein Unternehmen einstehen, wenn ich matte Augen habe oder selber davon nicht überzeugt bin? Und das ist ja dann irgendwie schon ein massiver Zwiespalt, in dem ich mich bewege, der, wenn es ganz schlimm läuft, sogar mich krank macht. Und das ist ja im Gegenteil, genau das Gegenteil von dem, was du erreichen willst. Du willst ja Freude auslösen, du willst Emotionen auslösen, du willst einen Sinn verstehen, wofür du antrittst, wofür du deine Arbeitsleistung, dein Engagement, deine Energie, deine Leidenschaft aufbringst. Und wenn die halt nicht gegeben ist, dann muss ich irgendwann vor den Spiegel stellen und sagen, willst du das eigentlich so weitermachen oder willst du was anderes tun? Und nur das einfach so weiterzumachen, weil es halt keine Optionen gibt, das ist auf jeden Fall der falsche Weg.

Speaker0:[34:05] Ja und ganz interessant, ich habe mit meinen Studenten mal so einen Vergleich auch gemacht mit den Silicon Valley Unternehmen, die sind in der marslofischen Bedürfnispyramide schon ziemlich weit oben, weil wenn man dort den Mitarbeitern anbietet, hey, du kriegst ein tolles Auto, sagen die ja, dann kriege ich überall. Irgendwann ist da Sinn, Purpose, der große Differenziator gewesen. Da arbeitet keiner mehr, der wirklich talentiert ist bei einem Unternehmen, das nicht einen super klaren, leidenschaftlichen Purpose an den Tag legt. Und wir werden es erleben, dass wir in wenigen Jahren, auch hier Stichwort Fachkräftemangel, in eine ähnliche Situation geraten. Es wird einfach eine Notwendigkeit sein, um im Markt der Talente zu reüssieren, einen starken Purpose für sich gefunden zu haben.

Speaker0:[34:56] Ich danke euch beiden recht herzlich für eure Offenheit und Dominik, dir danken wir ganz besonders, dass du heute hier unser Gast bist in unserem Podcast. Und zum Abschluss möchten wir unserem Gast immer eine ganz besondere Frage stellen, die du auch gerne ein bisschen nachdenken kannst. Und zwar geht es um Folgendes. Stell dir bitte vor, wir würden dir für eine Plakatpfand direkt vor deiner Uni ein Jahr schenken, wo du darauf etwas abbilden darfst. Und du darfst frei wählen, was du den Studentinnen und Studenten mitgeben möchtest, auf den Weg für ihr Leben, für ihre Laufbahn. Und die Frage ist natürlich, wenn du jetzt mal zurückblickst auf deine Erfahrungen, wir sind ja hier nicht nur für Professionals unterwegs, sondern auch für Leute, die sich gerne ein bisschen über die Themen informieren, die so für ihren Beruf wichtig werden können. Was würde denn aus deiner Sicht für einen Hinweis oder für einen Tipp auf diesem Plakat stehen? Naja, jetzt muss ich natürlich ultrakonsequent sein. Ich würde mal Ullis Punkt mit meinem verbinden. Ich würde einen riesigen Spiegel dort aufbauen und würde die Frage drauf schreiben, wenn man sich dort anschaut, hast du noch ein Leuchten in den Augen? Und wenn man das nicht mehr hat, dann sollte man vielleicht, zumindest wenn man es mittelfristig nicht mehr hat, sollte man sich was anderes überlegen zu tun. Ulli, und jetzt die Frage, ob dich das als Student, der da rausmarschiert, ansprechen würde, übrigt sich fast schon?

Speaker1:[36:12] Definitiv. Also zum einen ist es natürlich ein Stück weit provokant, weil du stehst selber im Spiegel und gleichzeitig aber auch erhellend, um zu sagen, guck mal, damit hat mich heute noch keiner überrascht. Und das ist natürlich dann schon etwas, wo ich sage, darauf habe ich dann Lust, weil ich ganz einfach sage, ich liebe die Herausforderung, ich liebe halt auch immer gefordert zu werden. Und das ist so ein Ding, wo ich das vereint spüre.

Speaker0:[36:39] Vielen Dank euch beiden. Das war der Digital Pacemaker Podcast mit dem Thema Purpose und als Gast hatten wir heute Dominik Weken von BCG Brighthouse. Wenn ihr weitere Informationen und Links zur Folge haben möchtet, schaut in die Shownotes der Folge. Der Digital Pacemaker Podcast erscheint alle 14 Tage am Dienstag bei Spotify, Apple und überall, wo du deine Podcasts bekommst. Und wenn du keine Folge verpassen möchtest, klicke jetzt den Follow- oder Abonnieren-Button, denn dann erfährst du regelmäßig, wenn wir eine neue Folge bieten. Habt eine gute Zeit, auf Wiederhören.

Speaker1:[37:09] Rock’n’Roll.

Music:[37:10] Music

Speaker1:[37:16] Der Digital Pacemaker Podcast ist eine Produktion von Maniac Studios.